Der Linkshänder – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
hinwegklettern, bis ich wieder gehen konnte. Endlich erreichte ich den Betonrand der Straße und den niedrigen Zaun, der hinter der Absperrplanke verlief. Ein Stück die Straße hinunter konnte ich den verschwommenen Umriß des Cadillac erkennen.
Ich kletterte über den Zaun, möglichst ohne Geräusch, was aber mißlang. Oben auf dem Zaum blieb ich mit der Hose hängen und wäre fast mit dem Kopf nach unten abgestürzt. Eine neuerliche brillante Vorstellung der geschmeidigen Beweglichkeit des ehemaligen Leistungssportlers. Schließlich erreichte ich doch noch den Boden und ging in die Hocke, während ich mir die schmerzende rechte Schulter rieb.
Eine Zeitlang beobachtete ich den Wagen. Es gab kein Anzeichen für irgendwelche Bewegungen. Ich schätzte, daß er vielleicht sechzig Meter entfernt war, und die Strecke bot wenig Sichtschutz. Ich mußte mithin schnell und leise vorgehen.
Der Wind frischte auf und blies mir Sand ins Gesicht. Ich schloß die Augen und wartete auf das Ende der Bö. Dann legte ich los.
Ich ging gebückt, in der Hoffnung, daß er mich so nicht im Rückspiegel sehen würde. Ich malte mir aus, wie er mit geschlossenen Augen dasaß und den Kopfhörern lauschte. Das ist brav, lausch mal schön. Es gibt überhaupt keinen Grund, nach hinten zu blicken. Ein schönes Gefühl, einfach so dazusitzen und den Augen eine Pause zu gönnen …
Das Licht innen in seinem Wagen ging an.
Ich warf mich auf den Boden und rang nach Luft. Hatte er mich gesehen?
Ich sah auf. Ich war noch gut zehn Meter entfernt. Warum war das Licht an?
Ich wartete. Die Tür öffnete sich nicht. Nichts.
Okay, beweg dich wieder. Langsam. Sehr leise. Warum zum Teufel hatte er das Licht angemacht?
Im Grunde kommt mir das zupaß. Mit dem Licht drinnen wird er draußen nicht gut sehen können. Ich erreichte das Heck seines Wagens. Okay, welche Seite jetzt? Fahrer- oder Beifahrerseite?
Auf der Fahrerseite kann ich die Tür öffnen und ihn herausziehen. Wenn die Tür nicht verschlossen ist. Und wenn er mich nicht im Außenspiegel sieht.
Auf der Beifahrerseite kann ich die Tür aufreißen und auf den Sitz neben ihn springen. Wenn die Tür nicht verschlossen ist. Ich schielte auf dieser Seite um die Ecke. Kein Spiegel. Ich dachte, Cadillacs hätten immer Spiegel auf beiden Seiten. Vielleicht ist er mal abgefallen. Vielleicht spielt es auch keine Rolle, und ich sollte tätig werden, bevor die Nacht vorüber ist.
Und weißt du was, Alex? Das wäre eine richtig gute Gelegenheit, um deine Pistole dabeizuhaben. Zu blöd, daß sie in einem Schuhkarton auf dem Boden deines Kleiderschrankes liegt, fünf Stunden von hier auf der Oberen Halbinsel.
Macht nichts. Zur Sache.
Ich wählte die Beifahrerseite. Zentimeter für Zentimeter schob ich mich bis zum hinteren Fenster und wagte einen Blick nach innen. Ein Mann. Er hatte Kopfhörer aufgesetzt, was gut war. Es verringerte die Chance, mich zu hören. Er blickte nach unten auf irgend etwas. Las er vielleicht? Auch gut.
Ist diese Tür offen? Ja. Es war ein älteres Modell, und der Metallstift zur Verriegelung ragte über sechs Zentimeter in die Luft. Gott segne alte Cadillacs.
Jetzt aber los.
Ich riß die Tür auf.
Eine Pistole. Direkt da auf dem Beifahrersitz. Ich packte sie mir, unmittelbar bevor er sie selbst erreichen konnte. Der Mann schrie sich durch etliche Silben durch, bis es endlich wieder zu vollständigen Wörtern langte. »O mein Gott, du Dreckskerl, ich sterbe, um Himmels willen … Was zum Teufel tun Sie hier? Wer sind Sie?«
»Guten Abend«, sagte ich und setzte mich neben ihn. »Sie müssen Miles Whitley sein.«
»Verdammt, verdammt, verdammt«, sagte er und klammerte sich ans Lenkrad. »Ich komme hier um.«
»Beruhigen Sie sich«, sagte ich. »Reißen Sie sich zusammen.«
»Das sagen Sie so leicht, Sie Dreckskerl. O mein Gott.«
Ich betrachtete ihn genauer. Er war groß, wie Maria gesagt hatte. Solide zweieinhalb Zentner, wenn nicht mehr. Er war noch massiger als Leon. Sein Haar war schütter, und er hatte es, in einem aussichtslosen Kampf, die Glatze zu verdecken, quer hinübergekämmt. Sein Gesicht war rund und grau, die Art von Gesicht, die man mit einer Zigarre drin beim Pferderennen sieht. Die Kopfhörer waren ihm von den Ohren geglitten und hingen ihm jetzt um den Hals. Als ich nach unten sah, gewahrte ich den Riesenflecken auf seiner Hose. In seiner linken Hand hielt er ein großes Schraubglas, zur Hälfte gefüllt mit etwas, das nur Urin sein konnte. Ich gab
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