Der Lockvogel
Füße suchten Halt, er griff in seine Manteltasche. Seine Augen brannten vor Zorn. Webster ergriff den Kragen des Mannes, beugte sich nach hinten und ließ seinen Kopf mit seinem gesamten Gewicht auf die Stirn des anderen herunterkrachen. Er spürte einen Knochen zerbrechen. Der Körper des Mannes sackte in seinen Kleidern zusammen, und Webster ließ ihn fallen.
Sein Atem ging hastig, sein Herz klopfte wild. Er schaute die Straße hinauf und hinunter. Niemand zu sehen. Er öffnete den Mantel des Mannes und durchsuchte seine Taschen.
Euros, Zigaretten, ein Autoschlüssel. Ein Messer. An seinem Gürtel hing ein Holster mit einer mattschwarzen Pistole. Keinerlei Papiere. Webster nahm die Pistole und das Messer und zog sich schwer atmend am Auto hoch, seine Hose war steif vor Kälte und Eis. Er hob seine Tasche auf und wandte sich in Richtung Kanal. Er blieb lediglich stehen, um zwei der Reifen des Mercedes zu zerstechen und seine Zulassungsnummer auf seinem Handy zu notieren. Die Straße war menschenleer.
Während er sich rasch, beinahe rennend, entfernte und immer wieder über die Schulter zurückblickte, um sicherzugehen, dass der Mann nicht wieder zu sich gekommen war, schaute er sich die Pistole an. Eine Makarow, ein russisches Fabrikat. Das überraschte ihn nicht. Das Verwirrende war die Frage, warum der Mann ihn angegriffen hatte – das ergab keinen Sinn. Als er den Kanal überquerte, warf er die Pistole weit hinaus ins Wasser, wo sich noch kein Eis gebildet hatte. Ich bin die einzige Verbindung, die sie zu Lock haben, dachte Webster. Warum folgen sie mir nicht einfach? Weil ich wusste, wer er war, und es nicht zugelassen hätte.
Er fand ein öffentliches Telefon. Er war immer noch außer Atem, und die Euphorie wich langsam der Kälte. Er schlug seinen Kragen hoch, lehnte sich gegen die Wand der Zelle und wählte Hammers Nummer. Es klingelte nur einmal.
»Lock ist in Sicherheit. Ich weiß nicht, was passiert ist. Ich glaube, sie haben ihm etwas gegeben. Ich hole ihn jetzt ab. Hören Sie, Sie müssen einen Unterschlupf für uns finden. Irgendwo nicht weit von Berlin, wo niemand auf die Idee kommen würde nachzusehen.«
»Warum fliegen Sie nicht einfach nach Hause?«
»Weil ich glaube, dass wir das hier zu Ende bringen können.
Ich erkläre es später. Ich melde mich in einer halben Stunde.«
Er brauchte fünf Minuten, um ein Taxi zu finden. Im Inneren lief die Heizung, und es war heiß und trocken. Er gab die Adresse an und öffnete das Fenster ein paar Zentimeter. Der Fahrer – ein Türke mittleren Alters – zog seinen Schal enger um den Hals und fragte ihn, ob er verrückt sei, an einem solchen Abend die Kälte hereinzulassen. Ob er ihn umbringen wolle? Webster schloss das Fenster und schaute hinaus auf Berlin. Es war viel los im Bezirk Mitte. Kurz nach neun an einem Freitagabend. Hier schien es nur junge Menschen zu geben. Webster konnte sich nicht erinnern, abgesehen von Frau Werfel einen einzigen alten Menschen in der Stadt gesehen zu haben.
Das Taxi fuhr in nördlicher Richtung, mitten durch die Innenstadt. Schließlich hielt es am Straßenrand. »Wir sind da «, sagte der Fahrer. »Gartenplatz.« Webster bat ihn zu warten und stieg aus. Eine riesige neogotische Kirche erhob sich schwarz über dem Platz. In der Dunkelheit konnte er Lock nicht entdecken und fühlte, wie sich sein Atem wieder beschleunigte, doch dann sah er ihn am anderen Ende der Straße, gegen einen Laternenpfahl gelehnt.
»Richard«, sagte Webster und ging zu ihm hin. Locks Augen waren geschlossen. »Richard.« Lock reagierte nicht. Was hatten sie mit ihm gemacht? Webster berührte seinen Arm. »Richard, sind Sie okay?«
Träge öffnete Lock seine Augen. Er blinzelte zweimal und nahm seinen Kopf ein wenig zurück, als habe er Schwierigkeiten zu fokussieren.
»Richard, ich bin es, Ben. Kommen Sie. Sie müssen frieren. Ich habe ein Taxi hier. Kommen Sie.« Er legte einen
Arm um Lock und führte ihn vorsichtig zum Auto. Lock hatte Mühe, seinen Kopf aufrecht zu halten. »Himmel, was haben die ihnen gegeben?« Lock antwortete nicht. Webster öffnete die Tür und setzte ihn hinein, seine Hand schützend auf Locks Kopf gelegt.
»Ist der betrunken?«, fragte der Fahrer.
»Es geht ihm nicht gut.«
»Muss er kotzen?«
»Es wird ihm gleich wieder besser gehen. Kann ich mir Ihr Handy ausleihen?«
Der Fahrer drehte sich um und starrte Webster an.
»Sie haben kein Handy?«
»Nein. Ich muss Ihres leihen. Es ist ein kurzer Anruf. Ich
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