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Der Lockvogel

Der Lockvogel

Titel: Der Lockvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Morgan Jones
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sich vom Tisch hinuntergleiten. Der Portier nahm Lock fest am Arm und ging mit ihm durch die Lobby zu einer Tür hinter der Rezeption. Sein Kollege folgte ihnen.

    Alles, was Lock anschaute, entglitt seinem Blick. Je mehr er sich anstrengte, desto mehr verschwamm alles. Er versuchte, einen bestimmten Punkt zu fokussieren, aber es gab keine festen Punkte. Er fühlte, wie er zu einem Stuhl geführt und sanft daraufgeschoben wurde. Es gab einen Schreibtisch und einen Computer und dahinter einen Mann, der einen Bürstenschnurrbart und darüber eine rote Knollennase hatte.
    Dieser Mann stellte sich in gebrochenem Englisch als Herr Gerber vor. Er sei der Sicherheitschef des Hotels und werde jetzt die Polizei rufen. Er sagte noch einige andere Dinge auf Deutsch, von denen Lock immer nur »Polizei« verstand, und er erklärte in unvollständigen Sätzen und von einem Wort zum nächsten stolpernd, dass er ein wichtiger englischer Geschäftsmann war und dass jemand versuchte, ihn umzubringen. Gerber schaute ihn einen Augenblick lang an
und griff dann nach seinem Telefon. Lock hob eine zittrige Hand, bat ihn zu warten und griff in seine Gesäßtasche. Er hatte erwartet, dass seine Brieftasche verschwunden wäre, aber zu seiner Überraschung war sie immer noch da und immer noch voller Geld. Er nahm zwei Banknoten heraus, betrachtete sie eingehend, als wolle er ihre Echtheit prüfen, und legte sie dann bedächtig nebeneinander auf Gerbers Tisch.
    »Ich brauche einen Anruf. Einen Anruf.«
    Gerber ließ die Geldscheine liegen, wo sie waren, und überreichte Lock das Telefon.
    »Ikertu«, sagte Lock. »Ich habe die Nummer nicht. London.«
    Gerber schaute ihn an, schüttelte den Kopf und seufzte. Er riss ein Blatt Papier aus einem Block, der vor ihm lag, und überreichte es Lock zusammen mit einem Kugelschreiber. Lock schrieb den Namen zittrig auf und gab das Blatt zurück. Gerber drehte sich zu seinem Computer um. Nach einer Minute nahm er den Hörer in die Hand und wählte eine Nummer. Er gab den Hörer an Lock weiter.
    Die Telefonzentrale weigerte sich, den Anruf an Webster durchzustellen, und Lock hatte nicht die Kraft zu diskutieren. Er hinterließ eine deutsche Nummer, die Gerber ihm diktierte, und die nächsten zwei Minuten saßen die drei Männer einfach in dem Büro, ohne etwas zu sagen. Gerber beschäftigte sich an seinem Schreibtisch, der Portier bewachte die Tür. Lock fühlte sich, als wäre sein Kopf voller Metall, außerdem hatte er Bauchschmerzen. Er spürte, wie seine Übelkeit unaufhaltsam zurückkehrte; er hoffte, dass sie warten würde, bis er aus dem Hotel draußen war. Er fragte sich, ob sein Geld andernfalls ausreichen würde.

    Das Telefon klingelte. Gerber nahm den Anruf an und reichte den Hörer an Lock weiter. Lock redete umständlich und gab dann den Hörer an Gerber zurück, der nach ein oder zwei Minuten und einigen gegrunzten Worten auf Deutsch auflegte und zu Lock sagte: »Geben Sie mir noch fünfhundert.«
    Lock runzelte die Stirn. »Warum?«
    »Ich werde Sie fahren.«
    »Wohin?«
    »Raus aus der City. Um Ihren Freund zu treffen.«

16
    Webster war auf Locks Bett eingeschlafen, sein Kopf lag unbequem auf dem Kopfende des Bettes, sein Kinn drückte gegen sein Schlüsselbein. Als das Telefon läutete, mit einem altmodischen Klingeln, öffnete er die Augen und spürte einen vertrauten Schmerz entlang der Seite seines Kopfes. Er hatte von Lock und Inessa geträumt. Wie hatte er nur einschlafen können?
    Er hatte Hammer am Telefon erwartet und erkannte die langsame, gedehnte Stimme am anderen Ende der Leitung zuerst nicht. Dann, mit wundervoller Klarheit, ergab plötzlich alles einen Sinn. Es war Lock. Er war am Leben. Hammer hatte Malin erreicht. Es gab einen Deal.
    Lock klang krank. Webster konnte nicht verstehen, was er sagte. Als Lock das Telefon an Gerber weitergab, hatte Webster angenommen, dass das Teil der Masche war: Jetzt würde man anfangen, über Locks Freilassung und die Übergabe des Dossiers zu verhandeln. Dann hörte er verwirrt zu, bis ihm klar wurde, dass hier etwas anderes ablief. Gerber war ohne jeden Zweifel ein Deutscher, und er war, auf eine ziemlich bürokratische Weise, verärgert. Er klang nicht angespannt. Er klang nicht, als wollte er etwas. Webster sollte jetzt einfach nur zum Hotel kommen und seinen Freund abholen. Erst an diesem Punkt begriff er, dass Lock frei
war. Er schaute auf und schickte einen stillen Dank zum Himmel.
    Webster erklärte Gerber, dass Lock in Gefahr war

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