Der Lockvogel
klingenden Kurznamen: InvestSol Ltd. – Investigative Solutions. Es gab drei Partner: Einer hatte für das MI5 gearbeitet, einer für Scotland Yards Special Branch, und der dritte schien keine einschlägigen Referenzen zu haben. Ihr Büro lag in einem großen Siebzigerjahre-Hochhaus im Stadtteil Victoria, es hatte die Atmosphäre eines leicht unterfinanzierten Ministeriums. Alle drei Partner waren heute Morgen dabei gewesen, zweifellos, weil sie einen großen Auftrag witterten. Lock hatte ihnen erzählt, was er von ihnen wollte, und sie hatten darauf überhaupt nicht viel erwidert, dennoch wusste er, dass bald Tournas Bankkonten, Telefonverbindungen, Kreditkartenabrechnungen, Mülltonnen und medizinische Unterlagen systematisch auf alles durchkämmt werden würden, was wie Munition aussah. Wenn Lock nach Moskau zurückkam, würde er die Russen beauftragen, sich Tournas russisches Profil vorzunehmen, vielleicht auch zu sehen, was der griechische Geheimdienst hergab. Er war nicht sicher, ob die Londoner das leisten konnten.
Und nun saß er in einem Büro im einundzwanzigsten Stockwerk eines Gebäudes nahe der Moorgate-Straße und beantwortete die vielen Fragen, die Kesler von einer vorbereiteten Liste herunterlas. Es schien mehrere Seiten zu geben, und sie waren immer noch bei der ersten.
»Also, wer ist letztendlich der Besitzer von Faringdon? Letztendlich?« Kesler blickte auf seine Notizen, als würde er dort eine Antwort suchen, von der er genau wusste, dass sie nicht dort stand. Griffin, der Partner, saß zu Keslers Linken, und ein weiterer Anwalt saß neben ihm. Lock hatte seinen Namen nicht verstanden. Sie alle machten sich Notizen.
»Wir sind das doch schon durchgegangen«, sagte Lock.
»Das sind wir, und ich entschuldige mich dafür, aber wenn ich es nicht verstehe, kann ich Sie nicht verteidigen, und im Moment verstehe ich es noch nicht.«
Lock atmete tief ein und ließ die Luft wieder entweichen, fast wie bei einem Seufzer. In seiner Eigenschaft als Jurist hatte es ihm immer Freude bereitet, anderen Juristen zu sagen, was sie zu tun hatten, und im Laufe der Jahre hatte er sich daran gewöhnt. Diese neue Situation gefiel ihm ganz und gar nicht, aber noch weniger gefiel es ihm, sich die Gründe dafür auszumalen. Wo zum Beispiel steckte Emily? Hieß sie Emily? Oder Emma? Bei vorangegangenen Besuchen war Kesler jedenfalls immer von einer hübschen jungen Anwältin begleitet worden. Ihre Abwesenheit wies ohne Zweifel auf eine Veränderung in Locks Status hin.
»Ich fühle mich nicht wirklich wie der Klient hier, Skip.«
»Bei allem Respekt, Richard, Sie sind nicht mein Klient.«
»Faringdon ist Ihr Klient. Wessen Unterschrift steht auf der Honorarvereinbarung?«
»Ja. Und meine Verpflichtung besteht gegenüber Faringdon und nicht notwendigerweise Ihnen – also gegenüber dem Vorstand und nicht dem Aktionär, um genau zu sein.« Kesler hielt Locks Blick einen Moment lang stand. Er schaute zu seinen Kollegen hinüber. »Lawrence, David, können Sie uns bitte kurz alleinlassen?« Griffin zögerte. »Lassen Sie Ihre Sachen hier. Danke.«
Griffin und der Jüngere gingen aus dem Raum wie zwei Schuljungen, die sich fragten, was sie falsch gemacht hatten.
»Hören Sie«, sagte Kesler und blickte Lock fest an, die Handflächen offen auf dem Tisch, »von juristischen Feinheiten einmal abgesehen, können wir uns darauf verständigen, dass unsere Interessen in die gleiche Richtung gehen? Was für Sie gut ist, ist gut für Faringdon und damit auch gut für Konstantin. Das fürs Erste. Wir wissen beide, dass Faringdon Ihnen nicht gehört, und wir wissen beide, wem es gehört. Die Welt weiß es. Tourna weiß es definitiv. Aber ich muss wissen, was dazwischenliegt, weil ich wissen muss, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass Tourna das beweisen kann.«
»Ich habe Ihnen alles bis zu einem gewissen Punkt gesagt. Wenn nötig, kann ich Ihnen noch mehr sagen.«
Kesler schaute auf seine Uhr. Jetzt sprach er mit Nachdruck. »Richard, wir reden seit kaum einer Stunde. In Paris stehen Sie wahrscheinlich für mindestens ein oder zwei Tage im Zeugenstand. Glauben Sie, deren Kronanwalt wird sich irgendwann langweilen und einfach aufhören? Vielen Dank, Mr. Lock, ich glaube, das reicht jetzt? Er wird weitaus weniger freundlich sein als ich. Weitaus weniger. Wir werden Sie darauf vorbereiten, doch bis dahin«, er betonte jedes einzelne Wort, »müssen Sie sich ein wenig öffnen.«
»Konstantin hat nichts zu
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