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Der Lockvogel

Der Lockvogel

Titel: Der Lockvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Morgan Jones
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Weihnachtspläne. Lock hoffte, über Weihnachten in London zu sein. Marina kochte und spülte, Lock und Vika saßen am Tisch. Nach dem Essen ging Vika, um sich fürs Bett fertig zu machen.
    »Wirst du noch einmal kommen?«, fragte Marina.
    »Ich könnte schon. Ich habe endlose Meetings mit den Anwälten. Vielleicht bin ich auch am Wochenende da. Vielleicht an einem Abend in dieser Woche?«
    »Enttäusche sie nicht, Richard. Es wird immer schwerer, ihr zu erklären, warum du uns nie besuchst.«
    »Ich werde sie nicht enttäuschen.«
    »Lass uns einen Tag festlegen.«
    »Das kann ich nicht, bevor ich den Anwalt getroffen habe. Morgen weiß ich mehr.«
    »In Ordnung. Rufst du an?«
    »Ich rufe an.«
    Marina schaute im unverwandt in die Augen und fragte: »Wie geht es dir?«
    »Gut. Alles bestens.«
    »Also nichts Neues?«
    »Marina, komm schon.«
    »Warum ziehst du nicht nach London? Ich vermisse Moskau
nicht. Ich schäme mich, es zu sagen, aber ich vermisse es wirklich kein bisschen. Hier könntest du freier sein.«
    »Das würde nicht funktionieren. Das weißt du. Er braucht mich dort, wo er mich sieht.«
    »Weißt du, früher dachte ich, Konstantin sei der wundervollste Mann der Welt. Wie mein Vater, nur ernsthafter. Engagiert. Ich verstehe nicht, was aus ihm geworden ist.«
    Lock schwieg.
    »Was wäre, wenn du einen Ersatz finden würdest?«, sagte Marina. »Für dich?«
    »Was denn, soll ich eine Anzeige im Kommersant aufgeben? Oligarch sucht Äffchen? Muss ruhig und stubenrein sein?«
    »Richard, bitte nicht.«
    Lock seufzte und stützte den Kopf in die Hände, massierte sich die Schläfen. »Tut mir leid. Tut mir leid. Ich habe selbst schon darüber nachgedacht. Es würde nicht funktionieren.«
    »Aber Dmitri hat es geschafft. Nina hat mir im Frühjahr eine E-Mail geschickt. Sie sind jetzt in Berlin, und sie sind glücklich. Es ist wie ein neues Leben.«
    »Bei Dmitri war das etwas anderes.« Lock schüttelte den Kopf. »Er war nur – wie viel? – vier Jahre, fünf Jahre dabei. Und Konstantin bevorzugte ohnehin Gratschow. Das Problem ist teilweise, dass er mich immer noch mag. Letztendlich sind wir einfach schon zu lange zusammen. Der Ballon fliegt zu hoch.«
    Marina studierte ihn intensiv. Ihr Schweigen bedeutete, dass sie ihm nicht recht gab, aber auch nicht weiter auf ihrem Standpunkt beharren wollte. Er war ihr dankbar dafür.
    Bevor er ging, las er Vika vor, er lag neben ihr auf ihrem rosafarbenen Bett. Er fragte sich, ob er es gut machte, ob
er ausdrucksstark genug las. Er war kein Schauspieler. Das Buch handelte von einem palästinensischen Mädchen, das für ihr Land Fußball spielen wollte; es erschien ihm sehr erwachsen. Es war kühl und sicher in Vikas Zimmer, er wollte neben ihr einschlafen und nie mehr weggehen.
    Als er sich von Marina verabschiedete, war es draußen fast Nacht geworden. Vom Treppenabsatz aus konnte er sehen, wie die Eichen im Park sich voll und schwarz gegen das dunkle Blau des Himmels abhoben.
    »Hör zu«, sagte er. »Du hast recht. Zum Teufel mit den Anwälten. Lass uns am Wochenende verreisen. Wir könnten in dieses Hotel in Bath fahren. Wir drei.«
    Marina verschränkte die Arme. »Nein, Richard. Das ist zu viel.«
    »Vika fände es toll.«
    »Bis sie wieder nach Hause kommt.« Sie schüttelte den Kopf. »Es ist nicht richtig. Und außerdem hat sie samstags Tanzen.«
    Locks lächelte enttäuscht. Er steckte die Hände in die Taschen und schaute nach unten, drehte sich halb um, wie zum Gehen bereit.
    »Du solltest hinkommen«, sagte Marina, »und sie tanzen sehen. Sie liebt es.«
    »Wann?«
    »Um zehn. In der Nähe der Schule.«
    »Am Samstag?«
    »Ja, am Samstag. Das würde ihr mehr bedeuten. Ehrlich.«
    Lock nickte. Er küsste Marina auf die Wange, nur einmal, und ging.

    Am nächsten Tag saß Kesler im grauen Nadelstreifenanzug am Tisch und machte ein ernstes Gesicht. Lock saß zurückgelehnt auf seinem Stuhl und aß einen Keks der Kanzlei Bryson Joyce, sein rechter Knöchel lag auf dem linken Bein, sein Fuß schlug einen ungeduldigen Rhythmus in die Luft.
    Er hatte den Morgen damit verbracht, eine Detektivfirma zu beauftragen, Tournas Geschäfte auseinanderzunehmen. Kesler hatte sich entschieden, dabei im Hintergrund zu bleiben, und so war Lock allein hingegangen. Er hatte die Dienste dieses Unternehmens schon vorher genutzt und empfand seine Atmosphäre von Verschwiegenheit und Bedrohung als beruhigend; es erinnerte ihn stark an Moskau. Es hatte sogar einen russisch

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