Der Lockvogel
Schlacht, die in der Stille ausgetragen wurde, eine Schlacht, bei der der Sieg demjenigen gehörte, der am besten die Schwächen seines Feindes erfasste. Hier lag Malins Welt ausgebreitet vor ihm, und bevor er diese nicht wirklich verstand – und wusste, wie sie für Malin selbst aussah –, konnte er nicht hoffen, sie auseinanderzunehmen.
Doch nach vier Wochen hatte er immer noch nicht mehr als eine frustrierend schwache Vorstellung davon. Er hatte vier Rechercheure jeden Zeitungsartikel in Englisch oder Russisch, den sie finden konnten, lesen lassen. Zwei hatten Malin und das Ministerium übernommen, einer Faringdon,
Langland und alle Unternehmen, die damit verbunden waren, und der vierte hatte sich ganz auf Lock und Gratschow konzentriert. Zwei weitere hatten sich tief in die Handelsregister vergraben, das von Lock geschaffene Netzwerk rekonstruiert und anhand der spärlichen Information versucht zu analysieren, was diese Unternehmen eigentlich taten.
Begonnen hatten sie mit Faringdon. Das Handelsregister in Dublin gab ihnen die Namen der Direktoren (Lock und ein Schweizer Staatsbürger namens Ulrich Rast), eine Adresse und die Anteilseigner: neun weitere Offshore-Unternehmen, jedes davon um einige Grade obskurer als ihre irische Tochter. Ansonsten hatten sie nicht viel. Die Adresse gehörte zu einem Unternehmen, dessen Existenz einzig und allein dazu diente, andere Unternehmen zu gründen und zu verwalten und das deshalb ohne Bedeutung war; der Secretary des Unternehmens arbeitete für die gleiche Firma. Auch Rast war nur ein professioneller Verwalter, wenn auch von der eher teuren Schweizer Sorte. Der einzige interessante Anhaltspunkt waren die neun Anteilseigner; ihre hohe Anzahl war ungewöhnlich und der Zweck dieser Struktur nicht erkennbar. Es legte die Vermutung nahe, dass hier jemand entweder sehr clever oder sehr bedacht vorging. Zumindest war Faringdon selbst aktiv; zumindest tat es etwas. Es kaufte Unternehmen oder Anteile daran. Beim Durchforsten der Presse – in Russland, Aserbaidschan, Bulgarien, Kasachstan, der Ukraine – stießen Websters Rechercheure auf achtzehn Deals, die Faringdon abgeschlossen hatte, und notierten sich sorgfältig Zeitpunkt und Umstände jedes einzelnen. Dann untersuchten sie jeden der Vertragspartner, jeden Mit-Anteilseigner und hielten ihre Ergebnisse auf einem immer größer werdenden Plan fest, in der Hoffnung,
Muster, Übereinstimmungen oder irgendetwas von Bedeutung zu finden.
Das Ergebnis war nicht sehr erhellend. Ging man von Faringdon aus nach unten, sah man achtzehn Investitionen ohne ein ersichtliches gemeinsames wirtschaftliches Thema oder einen logischen Zusammenhang, eher zusammengewürfelt als arrangiert. Blickte man nach oben, sah man praktisch gar nichts. Die neun Anteilseigner dazwischen hatten ihren Sitz auf winzigen Inseln, die alle souveräne Staaten waren und sich ausnahmslos wenig kooperativ zeigten, wenn es um die Herausgabe von Informationen ging. Alles, was Websters Leute hatten finden können, waren eine Adresse und die Namen einiger Direktoren (Locks Name war wieder darunter, der Rest bestand aus reinen Strohmännern). Es gab keine direkte Möglichkeit zu erfahren, wem diese Unternehmen gehörten, wie viel Geld sie umsetzten, wo das Geld herkam und wo es hinging. Jedes Projekt traf irgendwann auf eine solche Wand, und Webster war daran gewöhnt. Man hatte Mittel und Wege, sie zu umgehen, doch diese waren illegal und schwierig, und die Informationen, die man auf diese Weise erhielt, waren selten so nützlich wie erhofft. Was erwartete er auch dort zu finden, außer einer weiteren Schicht gleichen Musters?
In Russland selbst neigte er im Moment noch dazu, vorsichtig zu sein. Hammer und er hatten diesen Punkt ausführlich diskutiert. Hammer war dafür, vor allem Lock wissen zu lassen, dass Fragen über ihn gestellt wurden, doch Webster wollte lieber warten, bis er seine Zielperson besser kannte. Deshalb hatte er bisher lediglich Alan Knight, den seltsamsten Engländer im Ural, gebeten, vor Ort einiges zu recherchieren.
Folgendes stand also an der Wand: Erstens wusste er, dass nur sehr wenige Leute etwas über Malin wussten. In Russland musste man intensiv suchen, um überhaupt etwas über ihn zu finden, und im Westen gab es gar nichts. Sein Name erschien auf einer Liste von Teilnehmern eines Treffens im Kreml im Jahr 2000, das Manager von Energieunternehmen mit Wissenschaftlern und Politikern zusammengebracht hatte. 2002 hatte er als Teil
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