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Der Lockvogel

Der Lockvogel

Titel: Der Lockvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Morgan Jones
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sich alles an, was Faringdon besitzt. Raffinerien in Bulgarien und Polen, neue Ölfelder in Usbekistan, alte Ölfelder im Kaspischen und im Schwarzen Meer – du lieber Himmel, sogar PVC-Fabriken in der Türkei.« Knight war jetzt erregt und redete schneller, aber nicht lauter als vorher. »Förderung, Vermarktung, Verarbeitung. Es ist riesig. Es muss das größte private Energiekonsortium der Welt sein, ich kenne wahrscheinlich nicht einmal die Hälfte davon, und Sie ganz sicher weniger. Ihre Freundin bekam es zu fassen, als es mehr oder weniger neu geboren war. Seitdem ist es ständig gewachsen. Nun, was glauben Sie, wozu es dient?«
    »Ein Sparstrumpf für Malin? Etwas, in das er das ganze Geld stecken kann, das er auf die Seite schafft.«
    »Das stimmt zum Teil, aber trotzdem nein. Es ist da, um zurückzugewinnen, was Russland seit 1989 verloren hat. Es ist Teil des neuen Wirtschaftsimperiums. Nehmen Sie Faringdon mit allem, was den großen Ölfirmen gehört, und Gazprom und alles andere, und Sie erhalten ein Russland, das die Energieindustrie der Hälfte seiner Nachbarn kontrolliert – mindestens.«
    »Erschreckender Gedanke.«
    »Nicht wahr? Es bedeutet, dass sie über alles, was vor sich geht, Bescheid wissen. Und wenn die Kacke am Dampfen ist, gehört ihnen die Hälfte der wichtigen Unternehmen.«
    Webster saß und dachte darüber nach. Er war nicht sicher, ob das alles einen Sinn ergab.

    »Ich kann eine gewisse Logik darin erkennen. Allerdings verstehe ich nicht, warum sie sich diese Mühe machen. Wenn es eine richtige Krise gibt, werden sie nicht in der Lage sein, das zu kontrollieren, was ihnen gehört. Und wenn sie die Tatsache verheimlichen, dass es ihnen gehört, werden sie nicht erreichen, dass irgendjemand vor ihnen Angst hat.«
    »Es geht um Einfluss, Ben. Und darum, Optionen zu haben. Und sie wissen, dass es ihnen gehört, das gibt ihnen das Gefühl, schlauer zu sein als die anderen. Was sie natürlich auch sind.«
    »Und darum, Geld zu verdienen.«
    »Und Geld zu verdienen.«
    »Was ist mit Lock? Warum wurde er ins Boot geholt?«
    »Der Strohmann? Weil das alles jemandem gehören muss. Zumindest nach außen.«
    »Aber warum ausgerechnet er?«
    »Warum ausgerechnet irgendwer von diesen Leuten? Es gibt immer einen. Ich glaube nicht, dass es zählt, wer es ist.«
    Knight hatte recht, dachte Webster: Das hier nützte ihm überhaupt nichts, egal, wie viel davon stimmte. Er musste Malin Korruption nachweisen, nicht Größenwahn. Knights Tee wurde gebracht. Die ersten beiden Finger seiner Hand waren orange vom Nikotin. Normalerweise, dachte Webster, hätte er mittlerweile mindestens eine Zigarette geraucht. Er erinnerte sich daran, wie Knight sich ereifert hatte, als Aeroflot schließlich auf allen Flügen das Rauchen verboten hatte.
    »Kennen Sie Gratschow?«, fragte Webster.
    »Nikolaj? Ja. Er ist eine Marionette. Und ein Schnüffler. Er ist ein alter Geheimdienstmann, FSB. Nicht gerade ein Händler, im Gegensatz zu seinem Vorgänger.«

    »Ja, worum ging es eigentlich dabei? Wenn das, was Sie sagen, tatsächlich stimmt, warum ließ man dann Gerstman gehen?«
    »Das«, sagte Knight, »ist eine ausgezeichnete Frage. Ich habe einmal versucht, ihn zu interviewen, etwa ein Jahr, bevor er ging. Nicht besonders kooperativ. Außerdem nur ein junger Bengel. Er war anders, eher ein Technokrat. Ganz anderer Schlag, das – kein Ölmann. Er hätte auch in einer Bank sitzen können. Sogar in einer westlichen.«
    »Haben Sie seither mit ihm gesprochen?«
    »Seit er gegangen ist? Nein, gab keinen Grund dazu. Zu empfindliches Terrain. Ich habe gehört, dass er wirklich gegangen ist und nicht nur so getan hat, als ob. Er lebt jetzt in Berlin, glaube ich. Gott weiß, was er da macht, aber es gab das Gerücht, er und Malin hätten sich zerstritten.«
    »Worüber?«
    »Ich habe keine Ahnung, Ben. Nicht die geringste. Alles wäre möglich.«
    Das war zumindest etwas.
    Webster spielte in seinem Kopf alle Fragen durch, die er Knight stellen könnte, und verwarf die meisten, zum einen, weil er nicht zu viel verraten wollte, und zum anderen, weil er die Antworten vorhersagen konnte. Eine Frage hatte er dennoch.
    »Wie sicher ist Malin? Ich meine, politisch gesehen?«
    »Wieder eine gute Frage.« Knight trank einen Schluck Tee. »Absolut sicher, soweit ich weiß. Nun ja, so sicher, wie jemand wie er in Russland sein kann. Ich vermute, Trotzki fühlte sich damals auch ziemlich sicher. Sagen wir mal: Ich habe keine Idee, was

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