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Der Lockvogel

Der Lockvogel

Titel: Der Lockvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Morgan Jones
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machte Kaffee und Toast aus einem trockenen Kastenbrot und ging wieder an seinen Computer. Der Artikel war noch da. Er las ihn noch ein paarmal, stellte fest, dass er keine neuen Ängste in ihm auslöste, und durchsuchte die Webseite der Times , um sicherzugehen, dass dort nichts anderes über ihn stand. Er fand einen zwei Jahre alten Artikel, ganze hundertfünfzig Wörter lang, der berichtete, Faringdon habe seinen Aktienanteil an dem rumänischen Unternehmen Romgaz erhöht und wolle bald allen Aktionären ein Übernahme-Angebot aufzwingen. Ansonsten gab es nichts.
    Als Nächstes musste er Oberst Baschajew anrufen, doch der Oberst war Lock unheimlich, und so zog er es vor, die Begegnungen auf ein Minimum zu reduzieren. Nach seiner Rückkehr aus London hatten sie sich getroffen, und Baschajew hatte ihm erklärt, dass er fünfzigtausend Dollar brauchte, um alles herauszufinden, was es über Tourna herauszufinden gab. Lock hatte kleinlaut zugestimmt und das bedrohliche neonbeleuchtete Büro Baschajews so schnell wie möglich wieder verlassen.
    Er hatte Baschajews Namen vor Jahren von Malin bekommen, der sein eigenes Security Team, so groß und mächtig es auch war, nicht mit Dingen betraute, die seine Privatangelegenheiten außerhalb Russlands betrafen. Lock hatte das nie ganz verstanden. Malins Sicherheitsleute saßen nicht im Ministerium – der Chef, ein weiterer früherer FSB-Oberst namens Horkow, war kein Staatsdiener –, doch sie schienen eine Autorität zu haben, die der einer staatlichen Organisation gleichkam. Sie konnten Leute überwachen lassen, ihre Telefone abhören, ihre Bewegungen innerhalb und außerhalb Moskaus verfolgen und hatten Zugang zu den von
Sicherheitsdiensten und Polizei angelegten Akten. Lock hatte erlebt, dass sie mit dem FSB zusammenarbeiteten, wenn ein widerspenstiges Management sich weigerte, eine Firma zu übergeben, die Malin gekauft hatte. Sie kümmerten sich für Malin um alle möglichen Probleme; einige hatten mit seinen Geschäften zu tun, andere wiederum betrafen seine Rolle im Ministerium. Lock hatte sich oft gefragt, wer sie bezahlte, aber irgendwann erkannt, dass diese Frage nicht wichtig war.
    Horkow wirkte noch etwas angsteinflößender als Baschajew, dachte Lock, obwohl der Unterschied marginal war. Äußerlich sahen sie sich nicht ähnlich – Baschajew war gedrungen und grau, Horkow hochgewachsen, hager und schnell –, doch sie gehörten der gleichen Generation an, die im KGB just in dem Moment an die Spitze aufgerückt war, als dieses aufgelöst wurde, und in ihrer Gegenwart beschlich einen so ziemlich das gleiche Gefühl. Diese Männer waren es gewohnt, Entscheidungen über Menschenleben zu fällen, ohne auf ihr Gewissen zu hören; sie waren nicht unbedingt grausam, aber sie hatten keinen Platz für Zartgefühl, und Reue kannten sie nicht. Lock war sich immer bewusst, dass sie und viele andere wie sie sein Leben sehr schwierig und unangenehm hätten machen können. Er hatte Glück, dass sie nun auf seiner Seite waren, dachte er.
    Er verschob den Anruf bei Baschajew und rief stattdessen Paul Scott von InvestSol in London an, der ein wenig überrascht klang, an einem Samstag angerufen zu werden. Er erklärte Lock, dass sie gut vorankamen und einige interessante Dinge herausgefunden hatten und dass sich die Nachforschungen in sehr interessante Richtungen bewegten, aber dass er Einzelheiten nicht am Telefon besprechen würde, weil
man nie wusste, wer mithörte. Ob er zum jetzigen Zeitpunkt irgendetwas sagen könnte, das für den Klienten von Nutzen war? Nein, bedauerlicherweise sei die ganze Geschichte zu heikel. Lock, der innerlich alle Privatdetektive dieser Welt verfluchte, sagte Scott, dass er ihn in zwei Wochen in London aufsuchen würde und große Dinge erwartete.
    Endlich, nachdem er sich noch mehr Kaffee gemacht und eine Zigarette geraucht hatte – wobei er etwas beschämt feststellte, wie schnell das dafür sorgte, dass seine Wohnung exakt so roch wie all seine früheren Wohnungen –, rief er Baschajew an, der abnahm, bevor es auch nur einmal geklingelt hatte. Ohne Lock zu Wort kommen zu lassen, teilte Baschajew ihm mit, er werde am Mittwoch um elf Uhr vormittags in Locks Büro sein – und legte auf. Das bedeutete, dass Lock Malin nichts zu berichten hatte, wenn sie sich am Dienstagabend zu ihrem regelmäßigen Treffen zusammenfanden. Lock hasste es, wenn er Malin nichts berichten konnte.
    Nachdem er so seine Pflichten erledigt hatte, trank Lock seinen Kaffee

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