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Der Lockvogel

Der Lockvogel

Titel: Der Lockvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Morgan Jones
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Sie wäre fantastisch.«

    »Lieber Gott, ernsthaft?« Lock lachte. »Die Leute würden kommen, um zu glotzen, schätze ich, aber sie hat wenig Geduld mit Idioten. Sie haben sie noch nicht in Form erlebt. Wirklich Furcht einflößend. Sie würde den Gästen garantiert ein paar Manieren beibringen, aber die würden nicht wiederkehren.« Friis lachte und wischte sich den Mund sorgfältig mit seiner Serviette ab. »Wie viel will Tourna eigentlich haben?«
    Lock hielt über Friis’ Schulter suchend nach der Kellnerin Ausschau.
    »Ich weiß es nicht. Wir werden es erfahren. Ein bisschen mehr als die anderen vermutlich. So funktioniert es normalerweise.«
    »Ist Malin beunruhigt?«
    Das war gut, dachte Lock – Malin beunruhigt. Nach seiner Erfahrung konnte Malin, wenn Dinge schiefliefen, lautlos wüten, aber er bezweifelte, dass er jemals beunruhigt war.
    »Das hat nichts mit ihm zu tun«, sagte er. »Es ist eine Angelegenheit von Faringdon.«
    Friis lächelte. Lock hob gerade die Hand, um die Kellnerin herbeizurufen, als eines seiner Handys klingelte. Das reservierte Handy.
    »Entschuldigen Sie mich, Mikkel, ich muss rangehen«, sagte er, glitt aus seiner Bank und bedeutete der Kellnerin mit Gesten, das Gleiche noch einmal zu bringen. Was würde Malin zu dem Artikel sagen? Er hatte früher oder später damit rechnen müssen, und dieser Artikel war nicht allzu schlimm. Lock ging zwischen den Tischen hindurch Richtung Tür.
    »Hallo, Konstantin. Wie geht es Ihnen?«
    »Mir geht es gut, Richard.«
    »Haben Sie den Artikel gesehen?«

    »Ich rufe nicht wegen des Artikels an. Ich habe Neuigkeiten, von denen ich denke, dass Sie sie erfahren sollten. Dmitri Gerstman ist tot.«
    Lock reagierte nicht. Hundert Gedanken bemühten sich, Form anzunehmen. Er stand jetzt draußen vor dem Restaurant.
    »Er ist in Budapest gestorben. Er fiel von einem Dach«, sagte Malin. »Mehr weiß ich nicht. Vielleicht könnten Sie versuchen, etwas herauszufinden.«
    »Wann?«, fragte Lock und schaute über den Fluss auf die Erlöserkathedrale, einem unirdischen Block aus Weiß im kalten Sonnenlicht.
    »Gestern. Es ist eine traurige Nachricht. Bitte schicken Sie Blumen an seine Frau. Nicht von mir, sondern von Ihnen.«
    »Das werde ich. Natürlich.«
    »Bis bald, Richard.«
    »Ja, bis morgen.«
    Lock achtete kaum auf den Verkehr, als er die Straße überquerte. Am Geländer oberhalb des Flusses blieb er stehen. Der Wind war stärker geworden. Lock hatte Gerstman gemocht, sich ihm verbunden gefühlt. Sie waren in der gleichen Welt zu Hause gewesen, und Gerstmans Weggang hatte Lock die Hoffnung gegeben, dass er eines Tages das Gleiche tun könnte, falls er den Mut dazu aufbrachte. Es war kindisch, dachte er, wie etwas aus einer Abenteuergeschichte für Kinder, doch er verglich sich mit einem Kriegsgefangenen, der erfährt, dass sein Offizierskamerad bei einem Fluchtversuch erschossen worden ist. Und er brauchte keine weiteren Informationen, um zu wissen, dass Gerstman genau aus diesem Grund hatte sterben müssen.

6
    Webster freute sich, den Namen Savas Onder in der Akte zu lesen; es war, als entdeckte man auf einer ziemlich steifen Party einen alten Freund. Wenigstens Onder, so hoffte er zumindest, würde bereit sein, mit ihm zu reden.
    Er begann langsam, sich wie ein Außenseiter zu fühlen. Seit Dmitri Gerstman ihm in Berlin eine solche Abfuhr erteilt hatte, hatte er alle Bekannten von Malin oder Lock, die er ausfindig machen konnte, angerufen oder aufgesucht. Er hatte mit Freunden in der Ölindustrie gesprochen, die wenig wussten, und mit persönlichen Freunden Locks, die noch weniger sagten. In Baku hatte er einen Schotten aufgestöbert, der 1993 mit Lock ein Unternehmen gegründet hatte; dieser hatte mehr geredet als die meisten Schotten, ihm aber lediglich gesagt, dass Lock kein Geschäftsmann war: »Das ist ein Mann, der die Vorstellung widerlegt, dass Anwälte wissen, wie man Geld verdient.« Er hatte zwei Männer gefunden, die Lock seit ihrer gemeinsamen Universitätszeit kannten – einer davon traf sich sogar noch mit ihm, wenn Lock nach London kam –, doch keiner der beiden hielt es für angemessen zu reden, und Webster konnte ihnen ihre Loyalität nicht verübeln. Er hatte Geschäftsführer und Direktoren von elf Unternehmen angerufen, die zu dem immer dichter werdenden Firmennetz gehörten, das
Lock geknüpft hatte; keiner von ihnen hatte irgendetwas Wesentliches gesagt, wobei alles andere ohnehin seltsam gewesen wäre. Auch wenn er

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