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Der Lockvogel

Der Lockvogel

Titel: Der Lockvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Morgan Jones
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Friis. »Ich glaube, Sie haben gerade eine Menge um die Ohren.«
    »Was meinen Sie?«
    »Ihre Nebenrolle in der Times .«
    »Oh Gott, das haben Sie gelesen? Ja, ich hatte schon bessere Wochenenden.«
    »Jemand hat es mir geschickt. So schlimm sah es gar nicht aus. Jeder hat doch Prozesse am Hals, oder?«
    »Genau. Jeder. Ja, jeder. Haben Sie schon etwas zu trinken bestellt?« Lock schaute sich nach einem Kellner um, die Hand in der Luft. »Ja, es hätte schlimmer kommen können. Die FT hatte heute Morgen zwei Zentimeter über die Sache, und ich nehme an, Wedomosti wird im Lauf der Woche darauf aufmerksam werden. Hören Sie, Mikkel, ich … nun, schauen Sie, ich will nicht, dass Sie denken, das sei ein Problem.«
    »Überhaupt nicht, überhaupt nicht«, sagte Friis und schaute Lock unverwandt an. Neben Lock wirkte er wie der Inbegriff von Gesundheit und Leistungsvermögen. »Wenn Sie gezwungen sind, auszusteigen, werde ich die Sache einfach allein zu Ende bringen.«
    Friis hielt Locks Blick stand und begann schließlich zu lachen. Lock lachte mit ihm, unsicher, ob er scherzte oder
nicht. Ein Kellner kam. Lock bestellte Gin Tonic, Friis ein Mineralwasser.
    Von diesem Zeitpunkt an drehte sich ihre Unterhaltung um Restaurants. Wo sie ihren Maître d’hôtel finden sollten. Ob er Türke sein sollte. Welche Musik in der Bar gespielt werden sollte. Das Problem, in Moskau gute Auberginen zu beschaffen. Wie sie das Problem lösen sollten, dass ihr Koch nur wenig Englisch und gar kein Russisch sprach. Und die entscheidende Frage, wie man es schaffen konnte, dass das Restaurant ein Restaurant für die Geliebte und nicht für die Ehefrau werden würde. In Moskau fielen alle guten Restaurants – oder zumindest die teuren – auf praktische und scheinbar natürliche Weise in eine dieser beiden Kategorien, und die Höhe der durchschnittlichen Rechnung unterschied sich drastisch, je nachdem, welcher der beiden man angehörte. Die Geschichte des Moskauer Nachtlebens war durchzogen von extravaganten und schicken Restaurants, die gescheitert waren, weil reiche Russen mittleren Alters keine größeren Beträge für ihre Ehefrauen mittleren Alters ausgeben mochten. Der Anreiz für einen Restaurantbetreiber, zum Geliebten-Restaurant zu werden, war also groß, doch weder Lock noch Friis konnten über die Einstufung entscheiden; sie konnten bestenfalls darauf hoffen, den Prozess zu beeinflussen. »Die Sache ist so«, sagte Lock und ließ ein Stück rohes Wagyū-Rindfleisch von seinen Essstäbchen gleiten, »wenn man das Restaurant sexy genug macht, wollen die Männer ihre Frauen nicht mitbringen. Es fühlt sich einfach nicht richtig an. Nun ja, einige vielleicht, aber das sind die ohne Geliebte.«
    »Hm«, sagte Friis. »Ich weiß nicht. Ich glaube, Sie haben nur zur Hälfte recht. Ich glaube, es hat mit dem Preis zu
tun. Schauen Sie sich das hier an: Das kostet zweitausend Rubel. Und es ist erst die Vorspeise. Wie viel hat Ihr Fisch gekostet? Noch mal zweitausend? Drei? Niemand will so viel Geld für seine Frau ausgeben. Das ist ganz einfach. Für so viel Geld erwartet man, flachgelegt zu werden. Und zwar mit einiger Zuverlässigkeit. Schauen Sie sich Cinquecento an, dieses italienische Restaurant auf der Petrowka. Es ist einfach schön. Da drin kommt man sich vor, als wäre man gar nicht in Moskau. Es ist wie ein Trip nach Sardinien oder so. Das Essen schmeckt fantastisch. Aber es ist voller 55-jähriger russischer Frauen in marineblauen Anzügen mit ihren fetten Ehemännern. Niemand redet. Eine Atmosphäre wie im Staatsarchiv. Ich wette mit Ihnen, das hält sich kein Jahr mehr. Und warum? Weil sie zu billig sind. Dort geben Sie nur halb so viel aus wie hier. Es ist wahnsinnig preiswert, und niemand will geizig aussehen vor seiner neuesten dummen Blondine. Oder in Ihrem Fall vor seiner intelligenten Brünetten.« Friis lächelte und beförderte den Rest seiner Vorspeise mit der Gabel in den Mund. »Und darum«, schloss er und schob seinen Teller von sich, »werden wir teuer sein.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Lock. »Es gibt eine Menge sehr teurer Restaurants in Moskau.«
    »Ja, und auch eine ganze Menge nicht so teurer Restaurants. Und die teuren sind immer voll. Vertrauen Sie mir. Ich bin der Geschäftsmann. Sie kümmern sich bei der Stadtverwaltung um die Genehmigungen. Ein Wink von Freund Konstantin wird sicher sehr nützlich sein.«
    Lock nickte und trank sein Glas aus.
    »Wie wäre es, wenn Oksana die Empfangsleitung übernimmt?

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