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Der Lockvogel

Der Lockvogel

Titel: Der Lockvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Morgan Jones
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anzustehen direkt zu ihm hingingen und ihm die Hand schüttelten. Locks Bekanntschaft ging, um sich mit jemand anderem zu unterhalten, und Lock blieb allein zurück, wobei er nicht zum ersten Mal seine eigene Unaufdringlichkeit bedauerte. Er konnte sehen, wie Oksana fast am anderen Ende des Raums mit einem unwahrscheinlich jungen und adretten Mann redete, der als Galinins rechte Hand galt.
    Er spürte das Handy in seiner Tasche vibrieren. Er nahm es heraus und sah, dass es eine Londoner Nummer war.
    »Hallo?«, sagte er und bewegte sich ein paar Schritte von Galinins Menschentraube weg. »Moment, es ist sehr laut hier drin. Ich gehe nach draußen, einen Moment bitte.« Er ging rasch durch den Raum und hinaus in die Lobby.
    »Okay. Tut mir leid. Ich höre.«
    »Richard Lock?«
    »Ja, am Apparat.«
    »Hier spricht Gavin Hewson von der Times in London.
Ich wollte Sie fragen, ob Sie einen Kommentar zu dem Prozess abgeben möchten, der in New York gegen Sie angestrengt wird. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir ein paar Fragen zu beantworten?«
    Lock zögerte. Er hatte panische Angst davor, mit der Presse zu sprechen. Journalisten hatten seiner Meinung nach nur ein Ziel, und zwar, ihn öffentlich der Lächerlichkeit und Demütigung preiszugeben. Seine PR-Leute hatten ihm Ratschläge gegeben, wie man mit ihnen umging: entspannt und höflich sein und ihnen etwas geben, das sie wollten, nicht alles, aber doch etwas. Das mit dem Höflichsein würde er vielleicht hinbekommen.
    »Ehrlich gesagt ist es gerade ungünstig. Ich bin bei einem gesellschaftlichen Anlass.« Gesellschaftlicher Anlass? Lock fragte sich, ob es möglich war, noch weniger entspannt zu klingen. »Und in Moskau wird es immer spät. Kann ich Sie nach dem Wochenende zurückrufen?«
    »Ich würde lieber jetzt reden, wenn es geht«, sagte Hewson. »In der morgigen Ausgabe erscheint ein Artikel über die Sache mit Ihnen, und ich hatte auf einen Kommentar gehofft.«
    »Morgen?« Scheiße, dachte Lock. Scheiße. Malin hasste solche Überraschungen. »In London?« Verdammt. Wo sonst sollte er erscheinen?
    »Ja.«
    »Hören Sie, wäre es möglich, dass Sie den Artikel um ein oder zwei Tage verschieben? Ich würde gerne eine Erklärung abgeben, aber ich muss zuerst mit meinen PR-Leuten sprechen. Sie verstehen das sicher.«
    »Ich fürchte, das geht nicht. Das Layout ist schon fertig. Können Sie mir wenigstens sagen, was Sie von Mr. Tournas
Anschuldigung halten, Faringdon sei ein Geldwäscheunternehmen?«
    Lock war in der Lobby auf und ab gegangen, doch bei dieser Frage ging er zum Ausgang und in die Kälte hinaus. Was er zu der Anschuldigung sagen sollte, dachte er. Nun ja, dass sie absolut wahr sei, natürlich. Wie könnte es anders sein? Er wunderte sich bloß, dass bis jetzt noch keiner diese Frage gestellt hatte.
    »Sie werden mit meinen PR-Leuten sprechen müssen. Ich sorge dafür, dass man Sie anruft.«
    »Sie sind nicht bereit, selbst einen Kommentar abzugeben?«
    »Nein, tut mir leid.«
    »Also kein Kommentar?«
    »Ja.«
    »Wer ist für Ihre PR zuständig?«
    »Aylward Associates.«
    »Wer? Martin Cassidy?«
    »Ja.«
    »Danke. Ich werde ihn anrufen.«
    Lock steckte sein Handy wieder in die Tasche und setzte sich auf die Stufen eines alten Bürogebäudes gegenüber dem Hotel. Er musste viel besser darin werden, solche Fragen zu beantworten. Aus einem Impuls heraus stand er auf, ging zurück zum Hotel, stellte sich an die Rezeption und fragte den Concierge, wo er Zigaretten kaufen konnte. In der Bar im obersten Stockwerk kaufte er sich eine Schachtel Marlboro und ein Päckchen Streichhölzer, trat hinaus auf die Dachterrasse des Hotels, klopfte eine Zigarette aus der Verpackung und zündete sie an. Er lehnte sich an das Geländer und ließ seinen Blick über Moskau schweifen.

    Es war die erste Zigarette seit acht Jahren – seit Vika auf der Welt war. In einem Moment, nachdem er noch eine geraucht hätte, würde er gehen und Oksana suchen, und noch etwas später, was er jedoch so lange wie möglich hinausschieben wollte, würde er Malin wegen der Times anrufen. Der Rauch legte sich schwer auf seine Lungen.
    Er fühlte sich krank. Neuerdings fühlte er sich immer krank, wenn er nach Moskau zurückkam. Fast sofort nach seiner Rückkehr fiel ihm das Atmen schwer, seine Kehle schien wund zu sein, seine Knochen taten weh, und sein schmerzender Rücken ließ ihn schlurfen wie einen alten Mann. Manchmal fragte er sich, ob das die göttliche Rache für die Zeit war,

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