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Der Lockvogel

Der Lockvogel

Titel: Der Lockvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Morgan Jones
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ihrem Stuhl zur Ruhe kam; sie schien über etwas erregt zu sein. Ihre langen Fingernägel, tiefrot lackiert, klopften auf die Tischplatte.
    »Du siehst fantastisch aus.«
    »Danke, Richard. Das ist ein guter Tisch.«
    »Natürlich. Wie lief dein Tag?«

    »Hm. Nicht so gut. Ehrlich gesagt, unglaublich. Ich brauche diesen Drink.« Sie schaute sich nach der Kellnerin um.
    »Er wird gleich hier sein. Was war los?«
    »Nichts.« Sie begegnete seinem Blick, konnte ihm aber nicht standhalten. »Einfach ein schlechter Tag.«
    »Erzähl es mir.«
    Sie seufzte. »In Ordnung. Verdammt. Es ist dieser kleine Scheißkerl Kowaltschik. Ich hatte heute einen Termin bei ihm, erinnerst du dich?« Lock nickte ernst. »Ich hatte ihn seit dem Sommer nicht mehr gesehen; nicht, seit ich beschlossen habe, diese Kapitel über den Gulag mit aufzunehmen. Also gehen wir das neue Konzept durch, und er sagt mir, der Gulag sei kein ›profitables‹ Forschungsgebiet. Offenbar haben schon zu viele Leute darüber geschrieben. Thema erschöpft. Aber man kann nicht über … ah, endlich. Bringen Sie mir bitte gleich noch einen.« Sie nahm ihr Glas, prostete Lock zu und trank es in einem Zug aus. »Man kann nicht über Vertreibung schreiben, ohne den Gulag zu erwähnen. Hunderttausende Menschen begannen ihr Leben – wenn man es so nennen mag – begannen ihr Leben in Kasachstan, weil man sie in die Gulags geschickt hatte. Dieser Idiot.« Sie spielte mit ihrem leeren Glas. »Idiot.«
    Lock wartete einen Moment, unsicher, ob sie fertig war. Könnte er nicht seinen Plan mit ihr diskutieren? Sie stammte aus Almaty. Sie war mehr oder weniger Ausländerin. »Was bedeutet das nun?«
    »Das bedeutet, ich muss zum ursprünglichen Konzept zurückkehren und kann alles wegwerfen, was ich in den letzten drei Monaten geschrieben habe. Oder ich mache weiter und riskiere, dass er mich durchfallen lässt.«
    »Würde er das tun?« Er sollte mit ihr reden. Vielleicht
würde sie den Ausschlag geben, ob er es wirklich tat oder auf ewig nur darüber nachdachte. Wenn sie damit fertig waren, über Koslowski zu sprechen oder wie immer der hieß, würde er das Terrain sondieren.
    »Oh ja. Ja, das würde er. Er ist ein bösartiger kleiner Scheißkerl.«
    »Wer ist denn sein Vorgesetzter?«
    Oksana lachte hart und kurz auf. »Du meinst, ich könnte ihn vielleicht feuern lassen?«
    »Nein, das meine ich nicht. Hast du kein Einspruchsrecht? Kann nicht jemand mit ihm reden?«
    »Er ist mein Professor. Wenn ich ihn verärgere, werde ich keinen anderen bekommen.« Sie hatte jetzt aufgehört, hin und her zu rutschen, und warf ihm einen kalten Blick zu, der ihm überhaupt nicht gefiel. »Nicht jedes Problem lässt sich einfach dadurch lösen, dass man einen noch größeren Tyrannen findet, Richard. Nicht einmal in Russland. Das solltest du eigentlich wissen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich weiß, wer du bist, Richard. Du hast selbst einen ziemlich unangenehmen Chef.«
    »Keine Ahnung, wovon du redest.«
    »Ach, es ist egal. Lass uns einfach nett zusammen essen, wie immer. Du kannst so tun, als ob du dich für meine Doktorarbeit interessierst.«
    »Ich interessiere mich für deine Doktorarbeit.«
    Sie lachte wieder. »Als ich dich kennenlernte, mochte ich dich. Wir haben ein Arrangement, ich weiß, aber ich mochte dich. Ich dachte, hier ist ein Mann, der Dinge weiß, dem es nicht nur ums Geld geht. Hier ist ein Mann mit Selbstachtung. Und dann schlage ich die Zeitung auf und sehe, was
du tust. Für diese Kröte. Es macht mich traurig, Richard. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr. Du hättest mehr sein sollen als das.«
    Sie schaute ihm einen Moment lang in die Augen, dann stand sie auf.
    »Es tut mir leid, Richard. Ich wollte nicht von dir enttäuscht sein. Lass mich wissen, wenn ich dir etwas schulde.«
    Lock sah ihr hinterher, als sie hinausging. Ihr gleichmäßiger Schritt verriet keinerlei Emotionen. Die Kellnerin kam und stellte neue Getränke auf den Tisch. Lock trank Oksanas Wodka aus und blieb sitzen, den Blick auf den Platz gerichtet, den sie verlassen hatte. Dann verlangte er die Rechnung.

    »Mein Name ist Richard Lock.«
    »Vielen Dank, Mr. Lock. Und können Sie uns sagen, in welcher Funktion Sie heute hier sind?
    »Ich bin hier als Vertreter von Faringdon Holdings, eines der Unternehmen, die in Mr. Tournas Beschwerde angeführt sind.«
    »Gut. Lassen Sie uns mit einigen grundsätzlichen Fragen beginnen. Was für ein Unternehmen ist Faringdon, Mr. Lock?«
    »Faringdon

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