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Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Titel: Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Aber dir habe ich vertraut.» Als er mir die Waffe reichte, sah ich, dass sie nicht geladen war. Da ich keine Tasche hatte, legte ich sie aufs Bett. Meine Handtasche befand sich neben der Tür zur Toilette, offenbar hatte Trankow sie in einem anderen Raum durchsuchen wollen. Ich ärgerte mich über meine Nachlässigkeit: Ich hatte seelenruhig geschlafen und Trankow das Feld überlassen.
    Es roch nach Kaffee, auf dem kleinen Tisch in der Kochnische standen zwei Käsebrote, Joghurt und Orangensaft bereit. Trankow sorgte für mein leibliches Wohl. Ich zog mich an. Nach dem Frühstück würde ich aufbrechen, das Gemälde konnte Trankow behalten.
    Er wandte sich ab und ging in den Umkleideraum. Ich spülte den Becher, aus dem ich am Abend getrunken hatte, füllte ihn mit Kaffee und Milch aus einer ungeöffneten Packung, die ich im Kühlschrank fand. Dann nahm ich einen Erdbeerjoghurt und eins der Käsebrote und schob die Bettdecke so weit zur Seite, dass ich am Sofatisch essen konnte. Trankow blieb lange im Umkleideraum, und als er zurückkam, trug er einen dunkelvioletten Samtanzug mit farblich passender Krawatte und einem weißgelben Hemd. In diesem Aufzug glich er einem russischen Fürsten aus einem Gemälde des 19 . Jahrhunderts, und es drängte mich, die Hand nach ihm auszustrecken. Im letzten Moment hielt ich mich zurück. Alles war in Ordnung, wenn Trankow mich nicht mehr anschwärmte. Falls ich Lust auf einen hübschen jungen Mann verspürte, konnte ich mir in jeder Bar einen aufgabeln.
    Trankow trank nur Kaffee und sagte kein Wort. Draußen schien es kalt zu sein, aber im Garten war weder Reif noch Eis zu sehen. Mein Lieferwagen würde wohl problemlos anspringen. Nach dem Frühstück wusch ich mir das Gesicht und putzte die Zähne. Als ich aus dem Bad zurückkam, stand Trankow vor dem Gemälde.
    «Ich kann es dir nicht mitgeben, es ist noch nicht fertig.»
    «Macht nichts. Ich wohne in einer möblierten Wohnung, da hätte ich sowieso keinen Platz dafür.»
    «Vermutlich willst du mir deine Telefonnummer immer noch nicht geben?» Trankow sah nicht mich, sondern das Gemälde an, mit gerunzelter Stirn wie ein schmollendes Kind.
    «Nein. Wozu brauchst du die überhaupt? Du findest mich im Sans Nom, da kannst du mich anrufen.» Ich trat zwischen Trankow und das Bild, sodass er zurückweichen musste. «Juri, sei nicht kindisch! Dass ich eine Waffe bei mir habe, hat nichts mit dir zu tun. Ich nehme sie immer mit.»
    «Auch zu Stahl?»
    «Vergiss Stahl, das habe ich dir doch schon gesagt. Ich muss jetzt gehen. Danke für alles!» Ich küsste ihn auf beide Wangen und strich ihm über die Haare. Dann ging ich. Das Tor öffnete sich vor meinem Wagen wie von unsichtbarer Hand gelenkt. Dahinter schien die Freiheit zu liegen.
     
    Den restlichen November über hörte ich nichts mehr von Trankow. Syrjänens Hoffnung auf eine lange Bootssaison erfüllte sich nicht, denn es wurde kälter, und es fiel der erste Schnee. An meinem freien Montag fuhr ich nach Kopparnäs. Stellenweise lag bereits genug Schnee zum Skilaufen, und einige Leute waren mit Tretschlitten unterwegs. Ich stapfte am Ufer entlang und betrachtete die Spuren im Schnee. Hier war ein Fuchs gelaufen, dort eine Waldmaus. Es gab zahlreiche Spuren von Waldrenen, und als ich ihnen in den Wald folgte, sah ich neben ihnen Abdrücke, die mir vertraut waren: Ein Luchs hatte ein Waldren gejagt. Der Schnee war so weich, dass ich ohne Skier oder Schneeschuhe nicht weit genug in den Wald vordringen konnte, um zu sehen, ob der Luchs seine Beute bekommen hatte.
    Ich hatte die Unterlagen, die David mir hinterlassen hatte, mitgenommen und versuchte erneut, die geplanten Gebäude auf der Geländekarte zu lokalisieren. Syrjänen wollte Kopparnäs, aber warum interessierte sich David dafür? Doch wohl nicht nur deshalb, weil er Syrjänen aus der Zeit in Hiidenniemi kannte? Hatte sein Interesse etwas mit Syrjänens neuen Geschäftspartnern zu tun, die Trankows Andeutungen zufolge ungemein einflussreich waren? Oder mit dem Lager für Kriegsbedarf, das in dem friedlichen Erholungsgebiet völlig fehl am Platz wirkte? Hinter den Verbotsschildern und Maschendrahtzäunen konnte sich alles Mögliche befinden. Da man in den 1970 er Jahren den Bau eines Atomkraftwerks geplant hatte, war das Gebiet sicherlich genauestens untersucht worden. Also gab es wohl keine Risikofaktoren aus der Zeit, in der das Gebiet an die Sowjetunion verpachtet gewesen war. Oder doch? Ich war weder für noch gegen

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