Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)
ich fürchtete, es wäre durch die dicke Winterkleidung hindurch zu sehen, und ich musste darum kämpfen, dass meine Stimme nicht kippte.
«Lassen wir den Quatsch. Was willst du mir erzählen?» Rytkönen trug keine Kopfbedeckung. Der dunkle Wollmantel und der farblich abgestimmte Schal waren die passende Bekleidung für einen Winterabend. Unter seinen Schuhen knirschte der Schnee, denn der Frost verschärfte sich allmählich.
«Stahls finnische Freundin hat einen Weihnachtsgruß von ihm bekommen, der Ende November in Kaunas abgestempelt wurde. Stahl ist in Litauen, offenbar, um sein Kind zu suchen.»
Rytkönen presste die Lippen zusammen.
«Das weiß ich längst. Dafür hast du mich in diesen verdammten Wald zitiert? Dann kannst du mir gleich mal die Benzinkosten erstatten.»
Reiska lachte. «Nicht so hastig. Stahl reist unter dem Namen Bengt Näkkäläjärvi, als schwedischer Staatsbürger mit schwedischem Pass. Meinen Informationen zufolge ist er immer noch in Litauen. Es dürfte sich also lohnen, dort nach ihm zu suchen.»
«Wer ist dein Informant?»
«Der ursprüngliche Kass. Bruder Gianni. Jaan Rand.»
«Er ist bereit, Stahl ans Messer zu liefern?»
«Als Mönch muss man vorsichtig sein, vor allem, wenn man kleine Mädchen mag. Wir wissen doch beide, dass man die Schwäche für Minderjährige nicht mehr loswird, wenn man einmal auf den Geschmack gekommen ist. Das Zölibat hilft da nicht viel. Rand braucht bis an sein Lebensende Beschützer, ein Mann in seiner Lage kann es sich nicht leisten, treu zu seinen Freunden zu halten.» Reiska übertrieb ein wenig, schließlich hatte er keine Ahnung, ob Bruder Gianni im Kloster rückfällig geworden war, aber ein Mann mit Reiskas Lebenserfahrung glaubte einfach nicht daran, dass man mit Gottes Hilfe seine Perversionen überwinden konnte.
«Du weißt also, weshalb Rand den Dienst bei Europol quittieren musste.»
«Ich weiß noch einiges mehr.»
Rytkönen trat zwei Schritte näher. Ich sah, dass seine Stirnader pulsierte und seine Ohrläppchen rot anliefen. Ein Windstoß veranlasste ihn, die Augen zusammenzukneifen, und einen Moment lang sah es so aus, als ob seine Ohren im Wind schlackerten.
«Für wen arbeitest du eigentlich?»
«Das tut nichts zur Sache. Für eine einflussreiche Gruppe. Wir haben Beweise dafür, dass Stahl Dolfini ermordet hat.»
«Getürkte Beweise?», fragte Rytkönen bissig. «Dann sprechen wir dieselbe Sprache.»
Bingo. Nun hatte ich Rytkönen da, wo ich ihn haben wollte. Laitio grinste wahrscheinlich zufrieden.
«Wir haben Fotos, auf denen er Dolfinis Leiche in Maremma im Sumpf versenkt. So gut gemacht, dass selbst die besten Experten sie nicht eindeutig als Fälschung erkennen können. Wie viel zahlst du dafür?»
«Zuerst will ich sie sehen.»
Ich zog den Briefumschlag aus der Tasche. Jetzt musste Laitio bald zum Vorschein kommen und klarstellen, in welcher Richtung sich das Drama entwickelte. Rytkönen baute sich vor mir auf und starrte mir in die Augen, als hätte er hinter Reiskas Brille Hilja erkannt. Wir bemühten uns beide, nicht zu blinzeln.
«Hier.» Ich hielt Rytkönen den Umschlag hin, rührte mich aber nicht vom Fleck. Er sollte selbst auf sein Geschenk zugehen. Das tat er auch, hielt aber so weit vor mir an, dass er den Umschlag gerade zu fassen bekam. Trotz der Kälte war seine Glatze schweißnass.
Laitio und ich hatten lange überlegt, ob wir das Risiko eingehen sollten. Die Bilder waren miserabel und würden Rytkönen nicht lange täuschen, vor Gericht hätten sie keine Sekunde Bestand. Aber es war der einzige Weg, Rytkönen zu entlarven. Bei der Herstellung der Fotos hatte ich Petters Hilfe gebraucht. Er beherrschte Bildbearbeitung, Ausschneiden und Einfügen, war aber auch unerhört neugierig zu erfahren, wofür ich die Bilder brauchte. Meine Behauptung, mit den Fotos wolle ich Ripas Tod rächen, hatte er wahrscheinlich nicht geglaubt. Jedenfalls hatte ich ihn schwören lassen, Monika nichts davon zu erzählen.
Obwohl Rytkönen gesagt hatte, er wolle die Fotos sehen, bevor wir über den Preis verhandelten, steckte er den Umschlag ungeöffnet ein. Die Warnglocken läuteten zu spät, und bevor ich irgendetwas tun konnte, starrte ich in einen Revolverlauf.
«Wer immer du bist, du weißt zu viel über meine Angelegenheiten. Das kann unangenehme Folgen haben.»
Nun schwitzte auch Reiska, und mein einziger Trost bestand darin, dass ich nicht allein war und dass der Recorder alles aufnahm. Vielleicht hatte
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