Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)
derzeitigen Auftraggeber nicht zufrieden. Wenn jemand besser zahlt, hätte ich Interesse an einer Zusammenarbeit.»
«Ich habe kein Geld!»
«Darüber könnten wir verhandeln. Ist Stahls Kopf deinem Boss nicht Gold wert – oder sollte ich lieber sagen, ein SR - 90 -Isotop?»
«Was beweist mir, dass du mich nicht verscheißerst?»
«Nichts. Hier geht’s um Vertrauen, hörst du? Ich will auch, dass es Stahl an den Kragen geht. Er hat mir in Tallinn eine Frau ausgespannt.»
Es kam mir vor, als könnte ich geradezu hören, wie es in Rytkönens Gehirn ratterte.
«Okay, treffen können wir uns ja. Aber zahlen tu ich nichts. Wann und wo?»
«Auf dem Tanzboden beim Gasthof von Kopparnäs am Montagabend um zehn. Also um zweiundzwanzig Uhr.»
«Und wo soll das sein?»
«Du bist doch Polizist. Finde es selber raus.» Reiska legte auf.
Laitio fuhr schon zwei Stunden vorher zum Treffpunkt, damit er Zeit hatte, seinen Wagen sorgfältig zu verstecken, bevor er seine Position einnahm. Dank des Schneegestöbers konnte er das Nummernschild mit Schnee bedecken. Ich überredete Jouni, mir seinen Dacia zu leihen, denn der Lieferwagen war zu auffällig und ließ sich leicht zu mir zurückverfolgen. Natürlich hätte ich auch einen Wagen mieten können, doch in Reiskas Gestalt wagte ich es nicht. Jouni stimmte schließlich zu, als ich versprach, nie mehr zu meckern, wenn ich die Schälmaschine bedienen musste, und ihn noch respektvoller zu behandeln als bisher.
Da Monika den Montagabend zu Hause verbringen wollte, konnte ich mich dort nicht in Reiska verwandeln. Schließlich verabredete ich mit Laitio, dass ich mich in seinem Arbeitszimmer kostümieren würde. Er würde seiner Frau sagen, ich sei ein EDV -Installateur, der ihm bei Computerproblemen half.
Ich blieb jedoch ungestört, als ich dieselben Klamotten wie beim vorigen Mal anzog. Nur die Schirmmütze vertauschte ich gegen Onkel Jaris alte Pelzmütze, die ich im letzten Winter aus Hevonpersiinsaari mitgebracht hatte. Sie war aus Schafsfell, hatte Ohrenklappen und ein Band, das man unter dem Kinn festzurren konnte, dazu einen Schirm, der einen Schatten auf mein Gesicht warf. Ich beschloss, dass Reiska neuerdings unter Kurzsichtigkeit litt, und komplettierte seinen Look mit einer hässlichen braunen Brille, die ich auf dem Flohmarkt entdeckt hatte und deren Linsen nichts als Fensterglas waren. Den Schnurrbart schnippelte ich ein wenig schief.
Natürlich war ich total nervös, als ich nach Kopparnäs fuhr. Ich hatte die Glock mitgenommen, doch unter dem dicken Wintermantel ließ sie sich nicht in Sekundenschnelle hervorziehen. Auch Laitio hatte seine Dienstwaffe dabei. Ich hoffte inständig, dass wir sie nicht brauchen würden. Wir hatten beide auch Recorder mit, und Laitio war obendrein mit einer Videokamera ausgerüstet.
Hinter der Kreuzung in Siuntio endete die Straßenbeleuchtung. Es schneite so heftig, dass ich nicht wusste, ob ich mit Fern- oder Abblendlicht fahren sollte. Zum Glück besaß der Dacia ordentliche Winterreifen. Die Landschaft sah in der winterlichen Dunkelheit anders aus als früher, die Vorgärten waren weihnachtlich beleuchtet, und der Schnee glitzerte dekorativ. Ich fühlte mich wie ein Weihnachtswichtel, und vielleicht stellte sich Laitio vor, er sei der böse Nuutti aus der finnischen Überlieferung, der Rytkönen die Weihnachtsgeschenke entriss, bevor er sie auspacken konnte.
Ich stellte den Dacia an einer kleinen Straßeneinbuchtung nördlich des Gasthofs ab und ging zu Fuß zurück, wobei ich die Spuren so gut wie möglich verwischte. Die halbhohe gelbe Wand des Tanzbodens leuchtete im Licht der Hoflampe, und die künstlichen weißen Rosen, mit denen sie geschmückt war, wirkten wie Grabschmuck. Mein Handy war stumm geschaltet; ich teilte Laitio per SMS meine Ankunft mit. Meines Wissens war er zwischen der Wand des Tanzbodens und dem Wald in Stellung gegangen, wo er nicht vom Lichtschein erfasst wurde. Noch bevor Laitios Antwort eintraf, hörte ich Motorengeräusch.
Rytkönen hatte es nicht nötig, das Kennzeichen seines Wagens zu verdecken. Er fuhr direkt vor. Der dunkelblaue VW -Kombi wies ihn nicht als besonders reich aus. Ich drückte mich an die gelbe Wand, sodass mein Gesicht im Schatten lag, und schaltete den Recorder ein.
«Hallo, Kass. Wie steht es mit den Vorbereitungen für Weihnachten? Bist du in der Stimmung, ein kleines Geschenk anzunehmen?» Reiska war locker und selbstsicher, ich nicht. Mein Herz klopfte so wild, dass
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