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Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Titel: Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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manchmal beugen muss, um sein Ziel zu erreichen. Er ist ein wandelndes Gesetzbuch, hat Jura studiert, schreibt jetzt eine Doktorarbeit über irgendeinen Quatsch, der mit der echten Polizeiarbeit nichts zu tun hat. Der Mann hat nicht einen Tag an der Basis gearbeitet, keinen einzigen Säufer eingebuchtet und wahrscheinlich noch nie einen Toten gesehen. Solche Leute macht man bei uns neuerdings zu Chefs, zum Teufel!»
    «Dann haben sie es doch erst recht verdient, dass man ihnen vors Schienbein tritt, indem man die Vorschriften kreativ auslegt, oder?» Ich wusste, dass ich ein Risiko einging, als ich bei diesen Worten auch noch lächelte, dabei schlug mein Herz im Galopp. Natürlich konnte ich auch selbst mit Frau Dolfini sprechen, aber woher sollte ich das Geld für eine Reise nach Lago di Scanno nehmen? Mein vorzeitiger Rückflug hatte Unsummen gekostet. Außerdem brauchte Monika mich.
    «Bei der italienischen Polizei kenne ich keinen, und die Etatmittel für Informanten schrumpfen auch von Jahr zu Jahr», versuchte sich Laitio herauszureden. Er setzte sich in den Ledersessel hinter seinem Schreibtisch und holte ein dickes, ledergebundenes Opus aus der Schublade, das wie eine Kreuzung aus Adressbuch und Visitenkartenmappe aussah.
    «Florenz … Ist das in der Toskana?»
    «Und wie! Sozusagen die Hauptstadt.»
    «Ich weiß nicht, ob Caruso überhaupt noch im Dienst ist … Wahrscheinlich schon pensioniert, der Mann. Ich habe ihn mal gerettet, als … na, lassen wir das, für die Ohren einer jungen Dame ist das nichts. Jedenfalls ist er mir was schuldig.»
    Ich lächelte über Laitios Fürsorglichkeit. Wahrscheinlich hatte ich schon Wilderes miterlebt als das, was er mir unbedingt verschweigen wollte. Aber mochte er sein Geheimnis ruhig für sich behalten, ich hatte ja auch welche.
    «Gib mir Dolfinis Nummer. Und was war mit den unterschiedlich langen Beinen? Erklär mir das noch mal!» Laitio kritzelte etwas auf seinen Notizblock. Er hatte nicht einmal einen Computer auf seinem Schreibtisch. Ich rekapitulierte alle Merkmale Dolfinis, an die ich mich erinnern konnte.
    «Und nun verzieh dich, bevor ich es mir anders überlege», ächzte Laitio, als ich fertig war. Sein Atem ging mühsam, womöglich machten sich die ersten Anzeichen einer Lungenverengung bemerkbar. «Ich melde mich, wenn ich etwas weiß, ruf mich also nicht an. Außer, wenn du von Stahl hörst.»
    «In Ordnung», sagte ich und ging. Als ich die Treppe hinunterlief, überlegte ich, ob ich bei diesen beiden Worten die Finger hätte kreuzen sollen. Falls sich David meldete, würde ich selbst entscheiden, wem ich davon erzählte. Allerdings würde David mir eine befriedigende Erklärung für alles liefern müssen, eine so überzeugende Erklärung, dass ich notfalls auch bereit wäre, einen Mörder zu decken.

7
    Laitio ließ tagelang nichts von sich hören. Die Aschewolke schien ganz Finnland ins Chaos zu stürzen. Die Leute mussten Reisen stornieren und die merkwürdigsten Wege finden, um aus dem Ausland zurückzukommen. Mike Virtue hatte uns immer wieder eingeschärft, die Naturkräfte nicht zu unterschätzen. In den USA waren Überschwemmungen und Erdbeben nichts Ungewöhnliches, und Schneefall sorgte regelmäßig für Verkehrschaos. In meiner Jugend waren in Finnland die Züge nicht auf den Schienen festgefroren, und wenn auf dem Land jemand mit dem Auto in einer Schneewehe stecken blieb, hatte sich immer ein Bauer gefunden, der ihn mit dem Traktor herauszog. Flugzeuge waren gelegentlich abgestürzt, aber was zwang einen, sich in so eine Kiste zu setzen? Inzwischen waren die Leute so daran gewöhnt, schnell von einem Ort zum anderen zu gelangen, dass lange Busreisen und schlaflose Nächte im Zug, die für Interrailer völlig normal waren, als Stoff für Heldengeschichten taugten. Bisweilen hatte ich den Eindruck, diese Hysteriker würden nicht einmal eine Sommernacht im Wald überstehen. Auch bei der Armee hatte es hoffnungslose Fälle gegeben, die unfähig waren, im Wald zu scheißen, dabei hatte der größte Teil der Menschheit nicht einmal Klopapier.
    Monika kam verwirrt von ihrem ersten Arzttermin zurück. Mit ihrem Darm stimmte tatsächlich etwas nicht, aber die Ärzte, die gleich zu dritt anrückten, konnten nicht sagen, was es war. Man hatte ihr Unmengen Blut für Tests abgezapft, und als Nächstes stand eine Ultraschalluntersuchung an. Einer der Ärzte hatte besorgt den Kopf geschüttelt, als er hörte, dass Monika die letzten Jahre in

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