Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)
Mosambik verbracht hatte. An meinem ersten Abend in der Wohnung von Monikas Vetter googelte ich stundenlang nach Darmkrankheiten, südostafrikanischen Viren und Würmern, die sich in den menschlichen Organismus einschlichen. Letztere schienen mir die wahrscheinlichste Alternative zu sein, doch das wagte ich Monika nicht zu sagen. Wer wollte solche Viecher in sich herumschleppen?
Trotz ihrer Krankheit suchte Monika weiterhin nach geeigneten Räumen für ihr Restaurant, musste aber auch tagsüber stundenlang ruhen. Einen Arbeitsvertrag hatten wir noch nicht aufgesetzt. Monika zahlte für die Wohnung ihres Vetters lediglich die niedrigen Nebenkosten, zweiundfünfzig Euro im Monat. Sie bestand darauf, für uns zu kochen, und im Gegenzug übernahm ich alle schwereren Arbeiten, unter anderem das Putzen. Ich holte meine Sachen aus Frau Voutilainens Wohnung, doch die Fahrt nach Hevonpersiinsaari, wo meine Waffe lag, schob ich noch auf. Die Aschewolke schien mich immer noch vor den Killern zu schützen.
An einem von Monikas Ruhetagen beschloss ich, einen Ausflug nach Kopparnäs zu machen. Ich druckte die Karten aus, die David auf dem USB -Stick gespeichert hatte. Wann die ursprüngliche Version des Dokuments entstanden war, hatte ich bisher noch nicht feststellen können, aber mit Hilfe des Übersetzungsprogramms auf meinem Computer und eines Wörterbuchs hatte ich den russischen Text einigermaßen verstanden. Es ging um ein Ferienzentrum der Luxusklasse, von der Art, wie Syrjänen es ursprünglich in Hiidenniemi hatte bauen wollen. Allerdings gab es bei der Sache einen Haken: Das Gelände war im Bebauungsplan als Naherholungsgebiet ausgewiesen. Aber derartige Beschlüsse waren ja auch früher schon aufgehoben worden.
Für Politik hatte ich mich nie sonderlich interessiert, aber aus dem, was in den Zeitungen stand, hatte ich den Eindruck gewonnen, dass die Politiker oft demjenigen zu Willen waren, der ihnen am meisten bot. Ich wusste, dass ich mich jederzeit an die Abgeordnete Helena Lehmusvuo wenden konnte, meine ehemalige Arbeitgeberin und Monikas Freundin. Helena hatte die Angewohnheit, sich gründlich zu informieren und dann zu handeln, daher würde ich ihr natürlich nicht erzählen, dass mir wieder einmal seltsame Landkarten in die Hände gefallen waren, sondern mich auf rein theoretischer Ebene mit ihr darüber unterhalten, unter welchen Voraussetzungen der Status eines Erholungsgebiets aufgehoben werden konnte. Neuerdings erwog man sogar, für den Besuch der Nationalparks Eintritt zu verlangen, folglich würde es wohl bald auch als abwegig gelten, dass wertvolles Bauland als Freizeitgelände allgemein zugänglich war.
Als ich in den Bus stieg, erinnerte ich mich, dass David mich einmal verfolgt hatte, als ich zufällig nicht am Busbahnhof, sondern an einer normalen Haltestelle in der Runeberginkatu eingestiegen war. Ich sah mich um, entdeckte aber keine Verfolger. Außer mir stiegen nur drei alte Damen zu, die untereinander Schwedisch sprachen und keinerlei Interesse an mir zeigten.
Hinter Espoo sahen die Straßenränder seltsam aus. Die meisten Bäume waren gefällt worden, offenbar wegen der geplanten Autobahn. Auf der würden die Reichen dann bequem in Syrjänens Feriendorf gelangen.
Mein letzter Besuch in Degerby lag anderthalb Jahre zurück. Damals hatte ich mein rostiges Fahrrad vor der Bank stehen lassen, und nun war ich darauf eingestellt, zu Fuß zu gehen, denn das Rad würde wohl nicht mehr da sein. Vorsichtshalber hatte ich jedoch eine Luftpumpe und Flickzeug mitgenommen, und tatsächlich fand ich mein Fahrrad wieder. Der Hinterreifen war platt, der Vorderreifen immerhin noch halb voll. Ich stellte mein Rad umgedreht auf den Kinderspielplatz neben der Bank und brachte es in Ordnung. Die Kette war ein wenig trocken, funktionierte aber. Zwanzig Kilometer würde das Ding wohl durchhalten.
Die Felder an der Kopparnäsintie waren noch braun, Farbe gaben der Landschaft nur die wie kleine Sonnen am Ackerrand blühenden Huflattiche. Als ich mich der Meeresbucht näherte, hörte ich im Schilfrohr die Kraniche schreien. Die Eisdecke war bereits geschmolzen, doch an schattigen Stellen auf der Nordseite waren noch graue Schneehaufen zu sehen. Die Felder waren nass, es würden noch Wochen vergehen, bevor man sie pflügen konnte. Im Vergleich dazu war in der Toskana bereits Sommer gewesen, aber zu meiner Stimmung passte das Grau viel besser. Die Sonne versuchte hinter einer Wolke hervorzuspähen, zog sich aber
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