Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)
Savo, wie ich. Aus Kaavi, oder? Ich komm aus Iisalmi.»
Ich war nicht gewillt, mit irgendwem über meine Herkunft zu reden, am allerwenigsten mit einem Polizeibeamten, der ohnehin schon zu viel über mich wusste. Hatte Laitio Durchfall, oder weshalb brauchte er so lange? Ich hörte ein Hüsteln hinter einer der geschlossenen Türen, dann rauschte die Spülung. Bald darauf wurde ein Wasserhahn aufgedreht. Laitio hatte es nicht eilig, er kam gemächlich in die Diele und baute sich vor uns auf. Ich hatte ihn zuletzt vor Weihnachten gesehen, wir hatten Glühwein getrunken und miteinander eine Zigarre geraucht. Sein buschiger Schnurrbart war im Laufe des Winters grau geworden, und seine Hautfarbe konnte man nicht unbedingt als frisch bezeichnen.
«Bist du immer noch da, Rytkönen?», knurrte Laitio, dabei musste Rytkönen sein Vorgesetzter sein, denn er selbst war nur Hauptmeister.
«Ich musste der jungen Dame doch Gesellschaft leisten», antwortete Rytkönen lammfromm. «Ich geh jetzt, aber morgen treffen wir uns zur Besprechung im Hauptquartier. Bis dann.» Er schloss die Tür hinter sich.
Erst als Rytkönens Schritte verhallt waren und sich der Aufzug in Bewegung setzte, machte Laitio einen Schritt auf mich zu. Wir hatten nicht die Angewohnheit, uns zu umarmen, und auch Händeschütteln wäre unnatürlich gewesen, also begrüßten wir uns mit einem Nicken.
«Ein verdammt neugieriger Kerl, der Rytkönen. Vor seinen Ohren spricht man besser nicht über Leichen. Möchtest du Kaffee? Eine Zigarre?» Laitio ging in sein Arbeitszimmer und schloss das Fenster. Er nahm eine halb aufgerauchte Zigarre aus dem Aschenbecher und steckte sie zwischen die Lippen, zündete sie aber nicht an.
«Zweimal nein. Kommen wir gleich zur Sache.» Ich nahm unaufgefordert Platz, während Laitio am Fenster stehen blieb. «Schöne Grüße aus der Toskana», fuhr ich fort.
«Liebesurlaub im Süden, aha. Mit Stahl, nehme ich an?»
«Inzwischen auch bekannt als Daniel Lanotte. Ich weiß nicht, wie viele Identitäten David hat. Aber er scheint schwer in der Klemme zu stecken, denn er ist aus heiterem Himmel verschwunden.» Obwohl die Demütigung, die mir widerfahren war, meine Stimme zittern ließ, bemühte ich mich, ruhig zu sprechen. Ich erzählte von Davids Verschwinden, von meinem Besuch im Il tre cantoni und von dem Toten, in dessen Tasche ich Davids Handy gefunden hatte. Dass ich die Kommode aufgebrochen und den Inhalt der Schubladen an mich genommen hatte, behielt ich jedoch für mich. Ich erklärte, dass ich auf Davids Handy zwei Telefonnummern gefunden hatte, meine eigene und die von Dolfini, und dass ich durch einen Anruf bei der letzteren vermutlich erfahren hatte, wer der Tote war.
«Und wo ist das Handy jetzt?» Laitio, dessen Schnurrbart unheilverkündend zitterte, zündete hastig die Zigarre an.
«Das habe ich in einen Fluss geworfen.»
Laitio baute sich vor mir auf und blies mir den Qualm ins Gesicht. Es war wie ein Schlag.
«Wie kann eine intelligente Frau wie du immer wieder solche Dummheiten machen? Einfach wegzulaufen, wenn man eine Leiche findet!»
«Ich wusste doch nicht, wer das war! Womöglich hat David ihn umgebracht.»
«Er ist zuerst verschwunden, hat gewartet, bis du weg warst, und dann einen Kumpel in seine Wohnung geschleppt, um ihn dort zu töten? Vielleicht ist das weibliche Logik, männliche ganz sicher nicht. Was fällt dir ein, mir solche Geschichten aufzubinden? Das hättest du dir sparen können!»
Laitio lief im Zimmer auf und ab. Seine braunen Halbschuhe waren zerschlissen, am rechten bohrte sich beinahe der große Zeh hindurch. Die mattbraune Hose war ihm ein wenig zu kurz und ließ die blau und senfgelb gestreiften Socken sehen. Auch Laitios ausgebeulter Pullover war senfgelb; wenn er sich bewegte, fielen gelbliche Haare davon ab, die vermutlich von seiner Katze stammten.
«Ich will wissen, wer dieser Dolfini war und warum er umgebracht wurde. Du bist Polizist, du kannst deine italienischen Kollegen um Amtshilfe bitten.»
«Mit welcher Begründung denn? Wie soll ich überhaupt von dieser Leiche erfahren haben?»
«Dir wird schon was einfallen. Im Lügen bist du genauso gut wie ich.»
«Aber dir sitzen keine diensteifrigen Vorgesetzten im Nacken! Wie zum Beispiel dieser Rytkönen. Von den Leuten aus Savo sagt man, wenn sie sprechen, liegt die Verantwortung beim Zuhörer, aber auf Rytkönen trifft das nicht zu! Der Kerl ist kein bisschen durchtrieben, er begreift nicht, dass man die Regeln
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