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Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Titel: Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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wieder zurück, als hätte der kalte Wind sie verschreckt.
    Je weiter ich in das Gebiet von Kopparnäs vordrang, desto mehr Erinnerungen strömten auf mich ein. Dort zweigte der Weg zu dem Gasthaus ab, in dem David und ich zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten. Ich gab mir alle Mühe, die schmerzhaften Gedanken beiseitezuschieben und nur an das Jetzt zu denken.
    Ich fuhr auf einen hohen Felsen, auf dem früher ein Windkraftwerk gestanden hatte. Syrjänens Unterlagen zufolge sollten hier ein Aussichtsrestaurant und ein Vergnügungszentrum entstehen, zum Teil auf Pfeilern über dem Meer, sodass man auf der Terrasse tanzen konnte wie auf einem Schiffsdeck. Wenn Syrjänens Pläne Wirklichkeit wurden, war die Aussicht, die jetzt alle frei genießen konnten, nur noch denjenigen vorbehalten, die Geld genug hatten, dafür zu bezahlen.
    Ich stieg hinunter ans Ufer zu dem kleinen, überdachten Grillplatz, der Schutz vor dem Wind bot, und holte die Thermosflasche aus dem Rucksack. Kaum hatte ich mir Tee eingegossen, da klingelte mein Handy. Die Nummer der Zentralkripo kannte ich, sie gehörte Teppo Laitio.
    «Wer von uns beiden spinnt eigentlich?», brüllte er statt einer Begrüßung. «Hast du öfter mal Halluzinationen, Ilveskero?»
    «Was denn für Halluzinationen?»
    «Zum Beispiel barfüßige Leichen. Ich dachte, du hättest es inzwischen aufgegeben, mich zu verarschen. Mein Freund Guido Caruso hat versucht, das Rätsel der in Montemassi gefundenen Leiche zu lösen. Die Polizei in Siena hatte letzte Woche einen anonymen Hinweis erhalten, konnte ihm aber nicht sofort nachgehen, weil der Besitzer der Immobilie, in der die Leiche angeblich versteckt sein sollte, wegen der Aschewolke in London festsaß und auf einen Platz im Zug durch den Tunnel nach Frankreich wartete. Am Wochenende konnte er der Polizei endlich den Schlüssel übergeben, aber in der Wohnung war keine Leiche und auch sonst nichts Überzähliges. Stahl hatte offenbar seine Sachen abgeholt, denn laut Aussage des Besitzers befand sich in der Wohnung nichts, was nicht dort hingehört.»
    Mein Hals war trocken, mit der freien Hand setzte ich die Teetasse an die Lippen. «Die Miete für die Wohnung ist bis Ende Mai bezahlt», fuhr Laitio fort. «Der Mieter Daniel Lanotte war nicht anzutreffen, aber das ist ja nicht ungesetzlich. Italien ist ein freies Land.»
    «Und der verschwundene Carlo Dolfini? War die Polizei bei ihm zu Hause?»
    «Caruso hat alle Vermisstenmeldungen überprüft. Für Dolfini liegt keine vor. Er hat auch Frau Dolfini angerufen. Sie sagt, er besuche Verwandte in New York. Sein Vetter habe eine Pizzeria in Little Italy.» Laitio sprach die englischen Worte so aus, wie man sie schreibt. In einer anderen Situation hätte ich darüber lachen müssen.
    «Aber ich habe seine Leiche gesehen!»
    «Hast du sie fotografiert?»
    «Nein! Ich erinnere mich auch so, wie sie aussah. Ich kann versuchen, sie zu zeichnen, wenn das hilft.»
    «Lohnt sich nicht, Ilveskero. Du weißt doch, wie es läuft. So laut der Löwe der Gerechtigkeit hier in Finnland auch brüllt, bis nach Italien hört man ihn nicht.»
    «Aber Italien gehört doch zur EU ! Da müssen doch irgendwelche Gesetze gelten?»
    «Nach welchem Gesetz wiegt dein Wort mehr als das von zwei kompetenten Polizisten und dem Hausbesitzer?»
    Der Besitzer hatte behauptet, in der Wohnung sei alles in Ordnung. Aber was war mit der Kommode – die hatte ich doch zerschlagen! Warum hatte der Hausbesitzer, ein Bekannter von Bruder Gianni, nichts davon erwähnt? War auch er an der Verschwörung beteiligt? Laitio konnte ich mit diesem Einwand nicht kommen, denn es wäre mir zu peinlich gewesen, ihm beichten zu müssen, dass ich ihm etwas verheimlicht hatte. Ich war also in meine eigene Grube gefallen.
    «Ich versuche, ein paar Erkundigungen über Stahl einzuholen», fuhr Laitio fort. «Aber wahrscheinlich sagt mir keiner was. Es fuchst die hohen Herren ohnehin genug, dass ich weiß, warum die
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explodiert ist. Man hat mich gleich mehrmals schwören lassen, nicht darüber zu reden. Aber Rytkönen hat keinen blassen Schimmer von der Sache, das freut mich diebisch.» Laitios Gelächter klang merkwürdig, so ähnlich musste sich das Prusten eines Walrosses anhören, dachte ich. Darunter mischte sich das fordernde Maunzen einer Katze.
    «Bleibst du jetzt hier, Ilveskero, oder rennst du Stahl wieder durch halb Europa nach?»
    «Ganz bestimmt nicht! Ich bleibe hier und wechsle die Branche.»
    «Und wo

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