Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)
Hektar große Areal bot Platz genug für ein riesiges Luxusferiendorf und Millionärsreservat, aber selbst ein Mensch mit Syrjänens Phantasie und gesellschaftlichen Beziehungen konnte sich doch wohl nicht einbilden, dass sich ein derartiges Projekt einfach so durchziehen ließ? Wer außer ihm hätte ein Interesse daran, dass Kopparnäs in Privatbesitz überging? Die Landspitze war Teil des Porkkala-Gebiets, das in den Jahren 1944 – 56 zwangsweise an die Sowjetunion verpachtet werden musste und ursprünglich sogar erst Ende des 20 . Jahrhunderts an Finnland zurückgegeben werden sollte. Vor Porkkala lag die schmalste Stelle des Finnischen Meerbusens, ein günstiger Ort, um den Schiffsverkehr zu kontrollieren. Beim Abzug hatten sich die Sowjets bemüht, alles zu vernichten, was Aufschluss über ihre militärische Strategie geben konnte, wie ich dank einer Ausstellung im kleinen Igor-Museum in Degerby wusste. Kopparnäs war als Schießplatz genutzt worden. Konnte aus dieser Zeit etwas zurückgeblieben sein, was Syrjänen und seine neuen Geschäftspartner, wer immer sie waren, interessierte? Hatte David mir die Karte absichtlich hinterlassen, damit ich Syrjänens Pläne erforschte? Ich fluchte, als mir bewusst wurde, dass ich immer noch versuchte, die Verbindung zu David aufrechtzuerhalten, statt ihn endlich zu vergessen. Schon einmal hatte ich um ihn getrauert, so heftig, dass ich glaubte, ich hätte im Schnee in Hevonpersiinsaari Stücke meines gebrochenen Herzens begraben. Ich hatte grundlos getrauert, und das sollte mir nicht noch einmal passieren.
Am Waldweg fand ich Speisemorcheln, aus denen Monika sicher eine Delikatesse zaubern konnte. Neben dem Gasthof schienen dagegen Panzerfahrzeuge zu wachsen, offenbar befand sich dort ein Armeelager. Verbotsschilder und ein Maschendrahtzaun verhinderten den Zutritt. Was würde mit diesem Lager passieren, wenn Syrjänen seine Pläne verwirklichte?
Während der Busfahrt stieg mir der berauschende Duft der Morcheln in die Nase. Ich nickte immer wieder ein und pflückte im Traum zusammen mit David Trompetenpfifferlinge. Doch alle Pilze waren vergessen, als ich die Wohnung in der Yrjönkatu betrat. Monika ging es sehr schlecht. Sie hatte es nicht mehr ins Bad geschafft, sondern sich mitten in der Diele übergeben.
In den nächsten zwei Wochen konnte ich mich um nichts anderes kümmern als um Monika. Ich brachte sie sofort in die Privatklinik, wo sie auch gleich aufgenommen wurde. Ich wachte bei ihr und hielt ihre Hand oder las ihr aus melancholischen schwedischsprachigen Büchern vor, in denen die Menschen keinen Kontakt zueinander fanden und alles in Hoffnungslosigkeit endete. Irgendwie waren diese Bücher tröstlich. Zwischendurch erledigte ich Monikas Angelegenheiten, besichtigte Restaurants, verhandelte gemeinsam mit Monikas Anwalt mit den Behörden und suchte nach einer neuen Wohnung für uns. Gegen Ende Mai stellte sich endlich heraus, dass Monika nicht an einer unheilbaren Krankheit litt, sondern an einem außergewöhnlich hartnäckigen mosambikanischen Darmparasiten, den sie sich offensichtlich durch verunreinigtes Wasser eingefangen hatte. Ihr Allgemeinzustand war ohnehin durch harte Arbeit geschwächt, jetzt brauchte sie Ruhe und Antibiotika.
«Ich habe Glück, ich konnte nach Finnland zurückkehren und die bestmögliche Behandlung bekommen. Normale Menschen in Mosambik sterben an diesem Parasiten. Kleinkinder haben erst recht keine Chance», sagte Monika, als wir langsam durch den Park an der Alten Kirche spazierten, der im Volksmund «Pestpark» hieß.
«Du kannst nicht die ganze Welt retten. Werde erst mal wieder gesund. Es hat keinen Sinn, Mutter Teresa, Florence Nightingale und Veikko Hursti in einer Person sein zu wollen, solange du es nicht mal zu Fuß in den dritten Stock schaffst.»
Ich wusste, dass ich Monika nicht ändern konnte. Wir waren uns ähnlich: Für uns beide war Arbeit das beste Mittel gegen Kummer.
Der Juni brachte nach einigen kühlen Tagen eine Hitzewelle. Wir streiften durch Helsinki und besichtigten freiwerdende Räume. Monika wollte ihr Restaurant nicht in einem Luxusviertel eröffnen, sondern in einer Umgebung, in der Durchschnittsbürger wohnten, doch dabei musste sie natürlich auch darauf achten, dass die Lage ihre Kunden nicht abschreckte. Ohne Kostendeckung konnte sie nicht arbeiten, auch wenn sie Kapital besaß. Schließlich fanden sich geeignete Räume im Erdgeschoss eines würfelförmigen Bürogebäudes im Stadtteil
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