Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)
guter Name! Überleg doch mal: Wir servieren Gerichte, die nicht nach ihrem Erfinder benannt sind, kein Beef Wellington und keine Sachertorte, sondern Speisen, die über Jahrhunderte hinweg von ganz normalen Leuten entwickelt worden sind, die Spezialitäten namenloser Menschen. Der Name Chez Monique hat meine Person hervorgehoben. Verdammtes Branding! Dieser Name vermittelt genau das Gegenteil: Auf den Geschmack und den Ursprung des Essens kommt es an, nicht darauf, wer es kocht.»
«Hey, du Finnlandschwedin, du weißt wohl nicht, dass das Wort im Finnischen noch eine zweite Bedeutung hat? Die Namenlosen, das sind Unterhosen, Slips.»
Monika lachte. «Hilja, Liebes, du bist immer so aufmunternd. Es schadet doch nichts, wenn der Name ein bisschen scherzhaft ist. Und heute spricht doch wohl keiner mehr von Namenlosen, wenn die meisten das fragliche Kleidungsstück ganz ungeniert herzeigen.»
«Aber Namenlos klingt nach nichts. Wie würde es auf Französisch heißen?»
«Sans Nom …», antwortete Monika nachdenklich. «Das läge auf derselben Linie wie Chez Monique, sozusagen am entgegengesetzten Pol.»
So hieß das Restaurant schließlich Namenlos auf Französisch. Monika bestand darauf, es am achten Oktober, meinem Namenstag, zu eröffnen. Vorher sollten wir das Konzept auf der Nahrungsmittelmesse in Turku präsentieren. Ich versuchte, Monika diesen Gedanken auszureden, denn vom Sicherheitsstandpunkt aus waren Messen das Allerletzte, aber sie ließ sich nicht beirren. Anfangs weigerte sie sich auch, im Sans Nom Überwachungskameras und Alarmanlagen installieren zu lassen, doch in den ersten Septembertagen geschah etwas, das sie umstimmte. Als wir an einem verregneten Mittwochmorgen zum Restaurant kamen, war das große Fenster neben dem Haupteingang eingeschlagen.
Ich wusste nicht, was die Einbrecher gesucht hatten. Der Speisesaal war noch nicht fertig eingerichtet, und im Lager gab es noch keinen Alkohol. Die Küchenmöbel waren bereits an ihrem Platz, doch sie waren unversehrt. Das einzige Indiz für einen Einbruch neben den Glasscherben waren zweierlei lehmige Schuhabdrücke, die wir in jedem Raum fanden, sogar in den noch nicht gekachelten Gästetoiletten und den kargen Personalräumen. Am Schloss der Hintertür entdeckten wir zudem Kratzer, die am Vortag noch nicht da gewesen waren. All das legte den Schluss nahe, dass es sich bei den Einbrechern nicht um ausgefuchste Profis handelte.
«Sollten wir die Polizei alarmieren?», fragte Monika. Ich wusste nicht, was ich ihr antworten sollte. Hatte jemand nach einem Unterschlupf für die Nacht und vielleicht nach Essen gesucht? Im Hinterhof hielten sich oft Säufer auf, zwei von ihnen benutzten die Zeitungskiste als Unterschlupf. Konnte es sein, dass sie in der feuchten Herbstnacht plötzlich auf die Idee gekommen waren, sich im Lokal aufzuwärmen? Ich sagte Monika, ich würde zu den Männern gehen und mit ihnen sprechen, doch sie waren nicht an ihrem Stammplatz. Also rief ich die Polizei, die jedoch wenig Interesse zeigte. Die Beamten suchten nicht einmal nach Fingerabdrücken, sondern rieten uns lediglich, das Fenster reparieren und Überwachungskameras installieren zu lassen. Einbrüche vergleichbarer Art seien in letzter Zeit nicht angezeigt worden, aber wenn es irgendwelche Erkenntnisse gebe, werde man sich bei uns melden.
Am Nachmittag klopfte jemand an die Tür. Es war Veikko, einer der regelmäßig auf dem Hof herumhängenden Säufer. Ein harmloser Bursche, der in betrunkenem Zustand nicht randalierte, sondern meist still auf seinem Campingstuhl saß und aufs Meer hinausschaute.
«Komm rein», sagte ich freundlich, aber Veikko blieb an der Tür stehen und zeigte auf das Fenster, das ich provisorisch mit Pappe abgedeckt hatte.
«Haben ziemlichen Schaden angerichtet, die Burschen.»
«Hast du gesehen, wer das Fenster eingeschlagen hat?»
«Glatzköpfe waren das, Gewichtheber oder so, richtige Schränke. Ich hätte mich nicht getraut, denen in die Quere zu kommen. Haben sie drinnen was kaputt gemacht?»
Veikko war gegen zwei Uhr von Schritten und Klirren geweckt worden. Die Glatzköpfe hatten zuerst versucht, die Hintertür aufzubrechen. Dann waren sie zur Vorderfront des Hauses gegangen, und Veikko hatte sich an die Hausecke geschlichen und sie beobachtet.
«Die haben jemanden gesucht. Sind fluchend abgezogen, weil sie hier drinnen keinen gefunden haben. Dachten die, in einem Restaurant wohnt jemand?», fragte Veikko verwundert. «Ich hab nicht
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