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Der Löwe

Der Löwe

Titel: Der Löwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson DeMille
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Sir.«
    Khalil steckte die Karte in die Hosentasche.
    Sie kamen zum Ende der Auffahrt, und Farid Mansur fragte: »Möchten Sie gleich nach Santa Barbara?«
    »So ist es.«
    Mansur wollte nach rechts auf den Sunset Boulevard abbiegen, aber Khalil sagte: »Fahren Sie geradeaus.«
    Mansur überquerte den Sunset Boulevard und fuhr auf dem Canon Drive weiter, der von großen Privathäusern gesäumt wurde.
    Khalil blickte in den Außenspiegel, sah aber keine Fahrzeuge, die ihnen folgten. »Das ist ein Mietwagen, richtig?«, sagte er zu Mansur.
    »Ja, Sir.« Und er fügte hinzu: »Ich habe ihn wie angewiesen für drei Tage gemietet.«
    »Gut.« Das Fahrzeug würde also bis Montag nicht vermisst werden.
    Khalil schaute aus dem Seitenfenster, worauf Mansur anmerkte: »Hier wohnen die Reichen. Filmstars und Leute aus der Filmindustrie.«
    »Die Sünde macht sich bezahlt«, stellte Khalil fest.
    »Hier ja. Aber in der Hölle muss ein umso höherer Preis dafür bezahlt werden«, erwiderte Mansur, wie es von ihm erwartet wurde.
    Ohne darauf einzugehen, fragte Khalil: »Woher in Libyen kommen Sie?«

    »Aus Bengasi, Sir.«
    »Warum sind Sie hier?«
    Mansur zögerte, dann erwiderte er: »Um Geld für meine Eltern zu verdienen, Sir, und für die Eltern meiner Frau, die in Bengasi sind.« Und er fügte rasch hinzu: »Ich träume davon, in unser Heimatland zurückzukehren.«
    »Das werden Sie.«
    »Ja, Sir.«
    »Und Ihre Frau? Ist die hier bei Ihnen, Mr Mansur?«
    »Ja, Sir. Und unsere vier Kinder.«
    »Gut. Werden sie in unserem Glauben unterwiesen?«
    »Natürlich, Sir. Sie lesen in einer Schule an unserer Moschee den Koran.«
    »Gut. Und Ihre Frau weiß, dass Sie zwei, drei Tage lang nicht nach Hause zurückkehren werden?«, fragte Khalil.
    »Ja, Sir.«
    Die beiden Männer verfielen in Schweigen, und Farid Mansur stellte fest, dass dieser Mann ihn nervös machte. Er hatte solche Männer in Libyen gesehen und manchmal auch hier, in der Moschee. Sie waren Rechtgläubige wie er, aber auf eine andere Art. Und dieser Mann … seine Stimme, sein Verhalten, seine Augen … dieser Mann war noch mal anders – dieser Mann machte ihm Angst.
    Farid Mansur, der nicht genau wusste, wohin er fahren sollte, aber vermutete, dass sein Mitfahrer sich Sorgen machte, dass ihnen jemand folgen könnte, bog ein paarmal aufs Geratewohl ab und fuhr weiter.
    Sie kamen in eine von teuren Geschäften gesäumte Straße, und Mansur merkte an: »Das ist der Rodeo Drive, Sir. Hier können nur die ganz Reichen einkaufen.«
    Khalil schwieg weiter.
    Am Ende der von Geschäften gesäumten Straße sagte Khalil: »Nach Santa Barbara.«

    Mansur bog nach rechts auf den Wilshire Boulevard ab und steuerte nach Westen, der untergehenden Sonne entgegen.
    Sie fuhren auf dem breiten Boulevard weiter, der von Geschäften und hohen Gebäuden gesäumt wurde, in denen sich Apartments und Büros befanden.
    »Viele Fahrzeuge hier«, stellte Mansur fest.
    »Sie saugen das Öl aus der Erde«, erwiderte Khalil.
    Mansur erlaubte sich ein kurzes Lachen und sagte: »Und bezahlen gut dafür.«
    »Ja. Wie lange sind Sie schon hier?«, fragte Khalil.
    Mansur zögerte kurz. »Acht Jahre«, erwiderte er dann und fügte hinzu: »Zu lange.«
    »Ja, zu lange«, sagte Khalil. »Sie waren also in Bengasi, als die Amerikaner die Stadt bombardiert haben?«
    »Ja. Ich kann mich an diese Nacht erinnern. 15. April 1986. Ich war ein kleiner Junge.«
    »Hatten Sie Angst?«
    »Natürlich.«
    »Haben Sie in die Hose gemacht, Mr Mansur?«
    »Sir?«
    »Ich sehr wohl.«
    Farid Mansur wusste nicht, was er darauf antworten sollte, deshalb schwieg er.
    Khalil fuhr fort: »Auch ich war ein kleiner Junge und habe in Al Aziziya gewohnt, einem Militärstützpunkt in Tripolis. Eines der Flugzeuge flog genau über das Dach, auf dem ich stand, und warf seine Bombe ab. Ich blieb unverletzt. Aber ich habe in die Hose gemacht.«
    »Allah war gnädig, Sir«, brachte Farid Mansur heraus.
    »Ja. Aber meine Mutter, meine beiden Brüder und meine beiden Schwestern stiegen in dieser Nacht ins Paradies auf.«
    Mansur holte tief Luft, dann sagte er leise: »Mögen sie bis in alle Ewigkeit unter den Engeln weilen.«

    »Ja. Das werden sie.«
    Eine Zeitlang fuhren sie schweigend weiter, dann fragte Khalil: »Warum machen Sie das?«
    Farid Mansur dachte über eine Antwort nach. Wenn er sagte, dass er es für sein Land und seinen Glauben machte, würde er zugeben, dass er wusste, dass es bei dieser Sache um mehr ging, als einem

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