Der Löwe
Ich würde einen Schritt zurück vorschlagen – Ihr Sessel ist hinter Ihnen –, dann eine Rolle rückwärts über den Sessel. Dadurch sind Sie einen Moment lang meinen Blicken entzogen, aber Sie sind leider nicht vor meinen Kugeln geschützt, die ich durch den Sessel feuern werde. Dennoch können Sie bei der Rolle rückwärts Ihre Waffe ziehen und möglicherweise das Feuer erwidern, bevor Sie getroffen werden.« Er fragte: »Habe ich Ihnen den richtigen Rat gegeben, Mr Korsakov? Habe ich die Lage richtig eingeschätzt, Sir?«
Boris starrte Khalil an, dann nickte er. »Das ist die einzige Möglichkeit.«
»Dann ergreifen Sie sie. Stehen Sie nicht einfach da. Und glauben Sie nicht, dass Sie mich überraschen können, wenn Sie nach links oder rechts hechten. Sie werden tot sein, bevor Sie am Boden auftreffen … selbst wenn ich zulasse, dass Sie die Hand an die Waffe bringen, während Sie sich abrollen.«
Boris starrte Khalil weiter an. Ihm war klar, dass dieser Mann ihn verspotten und quälen musste, bevor er ihn tötete. Deshalb wusste er, dass er nicht mit einem raschen Tod durch eine Kugel aus Asad Khalils Waffe rechnen konnte. Boris begriff, dass dieser Mann, unabhängig davon, was er unternahm – sich abrollte, zur Seite hechtete oder vielleicht sogar Khalil angriff –, ihn nur verwunden und dann auf eine Art und Weise erledigen würde,
an die er gar nicht denken wollte. Oder schlimmer noch, Khalil würde ihn nicht töten – er würde ihn verstümmeln und als Krüppel weiterleben lassen, ohne Genitalien, ohne Augen, ohne Zunge …
Boris spürte, wie sein Herz raste, und er fröstelte, als ihm kalter Schweiß ausbrach.
Khalil, der ungeduldig wirkte, sagte: »Haben Sie alles vergessen? Oder war das nur Geschwätz? Ich habe alles getan, was Sie mir beigebracht haben. Und mehr. Jetzt müssen Sie Ihrem Schüler zeigen, was Sie in so einer Situation tun. Ich warte und bin neugierig.«
Boris dachte, wenn er Khalil dazu bringen könnte, weiterzureden, bestünde vielleicht die Chance, dass jemand die Treppe heraufkam oder mit dem Aufzug hochfuhr und erkannte, dass etwas nicht stimmte. Er wartete darauf, dass die Türglocke schellte – ein paar Töne von Tschaikowsky würden Khalil vielleicht eine halbe Sekunde ablenken. Das war alles, was Boris brauchte. Eine halbe Sekunde, damit er seine Waffe ziehen konnte.
Boris räusperte sich und sagte mit fester Stimme: »Dieses Haus steht unter Beobachtung durch die Polizei und das FBI.«
»Die sind anscheinend auch nicht fähiger oder wachsamer als Ihre dummen Leibwächter«, erwiderte Khalil.
»Du wirst nicht lebend aus diesem Gebäude kommen.«
»Sie sind derjenige, der nicht lebend aus diesem Gebäude kommen wird.«
Khalil hatte sich nicht von der Tür wegbewegt, und jetzt trat er einen Schritt zurück, drückte das Ohr an sie, drehte sich dann um und sagte zu Boris: »Da kommt jemand.«
Boris holte tief Luft und bereitete sich darauf vor, zur Waffe zu greifen.
»Vielleicht habe ich es mir nur eingebildet«, sagte Khalil und lächelte.
Boris war wütend und stieß eine Reihe arabischer Kraftausdrücke
aus, an die er sich noch halbwegs erinnern konnte, dann rief er auf Englisch: »Du verfluchter Mistkerl! Du Scheißkerl! Deine Mutter war eine verfluchte Hure!«
Khalil richtete seine Waffe – die Glock, die er Coreys Frau abgenommen hatte – auf Boris’ Bauch, und Boris sah, dass Khalils Arm vor Wut zitterte. Boris wartete auf die Kugel und hoffte, dass sie ihn entweder verfehlte oder sein Herz traf.
Khalil holte tief Luft, griff dann unter seine Jacke und zog das lange Tranchiermesser heraus, mit dem er die beiden Leibwächter getötet hatte.
Boris stand reglos da und sah zu, wie Khalil das Messer an der Klinge fasste, als wollte er es werfen.
Khalil riss den Arm zurück und warf das Messer auf Boris, der zusammenzuckte, als sich die Klinge in den Teppich zu seinen Füßen bohrte.
Boris starrte auf das Messer mit der blutigen Klinge. Er wusste, was jetzt kam.
»Sie können das Messer haben«, sagte Khalil zu ihm. »Im Tausch gegen Ihre Schusswaffe.«
Boris schaute Khalil an, erwiderte aber nichts.
Khalil sagte: »Sie haben sich dazu entschieden, Ihre Waffe nicht zu ziehen. Deshalb biete ich Ihnen das Messer an. Das ist sehr großzügig von mir – doch für Sie wird es schmerzhafter sein. Haben Sie mit einem Messer geübt, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben?« Er lächelte und fügte hinzu: »Oder nur mit Messer und
Weitere Kostenlose Bücher