Der Löwe
knapp zwanzig Schritte vor ihm stand.
Der Mann hatte einen Schnurrbart und eine Brille, und seine Haare waren vielleicht etwas grauer und nicht so zurückgekämmt, wie Boris sie in Erinnerung hatte, aber er wusste, wer der Besucher war.
Boris bemerkte auch, dass der dunkle Anzug und das weiße Hemd des Mannes mit frischem Blut verschmiert waren.
Khalil nahm seine Brille ab und entfernte den Schnurrbart,
dann sagte er auf Russisch: »Freuen Sie sich nicht, Ihren Lieblingsschüler zu sehen?«
Boris atmete tief durch und erwiderte auf Englisch: »Dein Russisch ist immer noch so schlecht wie dein Mund- und dein Körpergeruch.«
Ohne darauf einzugehen, sagte Khalil: »Ich würde Ihnen raten, jetzt zu Ihrer Schusswaffe zu greifen, damit ich gezwungen bin, Ihnen einen schnellen Tod zu bereiten. Aber … wenn Sie es vorziehen, ein paar Minuten länger zu leben, können wir ein paar Worte wechseln, bevor Sie einen schmerzhaften Tod erleiden. Sie haben die Wahl.«
Boris schaltete aufs Russische um und sagte: » Yob vas .« Leck mich.
Khalil lächelte. »Immer noch arrogant.« Dann sagte er: »Ihre CIA-Freunde beschützen Sie also nicht.«
»Doch, das tun sie«, erwiderte Boris.
Khalil lächelte erneut. »Wo sind sie dann? Sie haben Sie benutzt wie eine Hure, die Sie ja auch sind, und dann haben sie Sie in dieses Haus gesetzt, das voller Huren und betrunkener Schweine ist.«
Boris blickte sich hektisch im Zimmer um und suchte nach einer Möglichkeit, wie er sein Leben retten konnte.
»Schauen Sie mich an«, sagte Khalil zu ihm. »Warum sehen Sie nicht ein, dass Sie so gut wie tot sind?«
Boris atmete ein weiteres Mal tief durch und sagte: »Dann mach schon.«
»Sie müssen zu Ihrer Waffe greifen. Die Sache muss für uns beide interessant sein.«
Boris schaute seinen ehemaligen Schüler an. »Was habe ich dich gelehrt? Töte rasch. Du redest zu viel.«
»Ich rede gern.«
»Deine Opfer nicht, das kann ich dir versichern.«
Khalil wirkte ungehalten. »Ich musste mir ein Jahr lang anhören,
wie Sie mich, mein Land und meinen Glauben beleidigt haben. Und ich musste Ihre stinkenden Zigaretten und Ihren stinkenden Alkohol ertragen.« Er starrte zu Boris hinüber. »Und schauen Sie sich jetzt an. Wer sind Sie? Und wie schlau sind Sie? Wer hat eine Waffe in der Hand? Sie nicht. Und Sie sollten besser darauf achten, wen Sie einstellen. Vladimir ist Tschetschene, und er würde mir Geld geben, wenn er Ihre Kehle durchschneiden dürfte. Und bevor Sie sterben, sollen Sie außerdem wissen, dass Ihre ehemaligen KGB-Leibwächter jetzt in der Hölle auf Sie warten.«
Boris’ Gedanken überschlugen sich, während er überlegte, wie er sich retten konnte. Das Mädchen, Tanya, würde von einem Sicherheitsmann hergebracht werden, und dieser Mann würde … etwas bemerken. Eine Leiche. Blut am Boden …
Khalil, der genau wusste, was sein alter Lehrer dachte, sagte: »Vladimir beseitigt gerade die Schweinerei, die ich hinterlassen habe. Und er hat unten angerufen und das Mädchen wegschicken lassen. Auf Ihre Anweisung hin. Sie werden also heute Abend weder Sekt noch Kaviar genießen, und Sie werden auch nicht mehr herumhuren, nachdem ich Ihnen die Hoden abgeschnitten habe.«
Boris erwiderte nichts, suchte aber immer noch nach einem Ausweg. Schließlich wurde ihm klar, dass es für ihn nur eine Möglichkeit gab – er musste zu seiner Waffe greifen. Entweder rettete ihn das, oder es brachte ihm ein schnelles Ende. Er schaute Khalil an und suchte nach einem Hinweis darauf, dass der Mann nicht ganz konzentriert war – manchmal zuckten Blicke hierhin und dorthin, wenn jemand eine neue Umgebung erkundete oder auf Anzeichen von Gefahr achtete, und für gewöhnlich wich auch die Waffe in die Richtung ab, in die der Betreffende schaute. Aber Boris sah lediglich, dass Khalils schwarze Augen ihn anstarrten, und die schwarze Mündung der Waffe war ebenso auf ihn gerichtet wie Khalils Blick.
Wieder wusste Khalil, was Boris dachte, und er sagte zu ihm: »Ich rate Ihnen, zu Ihrer Waffe zu greifen. Dann werden Sie sich eher wie ein Mann vorkommen, wenn Sie sterben.« Und er fügte hinzu: »Sie wollen doch nicht erschossen werden wie ein Hund. Seien Sie mutig. Zeigen Sie etwas Mut, mein Junge. Machen Sie etwas.«
Boris atmete erneut tief durch, und in Gedanken griff er unter seine Jacke zu der Waffe an seiner Hüfte, hechtete zur Seite, rollte sich ab und schoss.
»Nein«, sagte Khalil. »Zum Abrollen am Boden würde ich nicht raten.
Weitere Kostenlose Bücher