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Der Löwe

Der Löwe

Titel: Der Löwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson DeMille
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nicht ans Telefon kommen.«
    Nein, dachte Khalil, das kann er nicht. »Dann Mrs Haytham? Oder Nadia?«, sagte er.

    »Sie können nicht ans Telefon kommen. Sind Sie mit den Haythams verwandt?«
    Khalil lächelte und erwiderte: »Das bin ich nicht. Und wer sind Sie , Sir?«
    »Hier spricht die Polizei. Ich fürchte, es hat einen … Todesfall in der Familie gegeben.«
    »Das tut mir leid. Wer ist denn tot?«
    »Das darf ich Ihnen nicht mitteilen, Sir. Von wo aus rufen Sie an?«
    »Ich rufe mit Mr Haythams Handy an.«
    »Sie … was?«
    »Bestellen Sie bitte Mr John Corey von der Antiterror-Task Force, dass Asad Khalil ihn demnächst besuchen wird. Ich verspreche es.«
    Khalil stellte das Handy ab und schaute zu Amir, der so tat, als konzentriere er sich auf die Straße. Aber Amir hatte natürlich jedes Wort mitgehört und war sich vermutlich darüber im Klaren, was in dem Haus geschehen war.
    Amir bog auf eine Stadtautobahn in Richtung Süden ab. Khalil schaute aus dem rechten Seitenfenster auf die Skyline von Manhattan in der Ferne. »Wo waren sie?«, fragte er Amir.
    »Sir? Oh …« Er deutete nach Südwesten und sagte: »Dort.«
    Khalil blickte aus dem Fenster. Jetzt erinnerte er sich, dass er die Türme bei seinem letzten Aufenthalt gesehen hatte, als er mit einem Taxi, das von einem anderen Landsmann gefahren wurde, durch Gegend fuhr – einem Mann, dem das gleiche Schicksal widerfahren war, das auch Amir ereilen würde.
    Khalil bedauerte den Tod seiner unschuldigen Landsleute, aber er musste jeden zum Schweigen bringen, der sein Gesicht gesehen hatte und wusste, wie er gekleidet war. Dazu gehörte auch der fette Limousinenfahrer, und auch für die Piloten seiner Chartermaschine hätte das gegolten, wenn sich die Gelegenheit ergeben hätte. Und mit Sicherheit gehörte auch Amir dazu, dem
jetzt klar war, was vor sich ging; und wenn es ihm noch nicht ganz klar war, würde er es begreifen, sobald er in den Nachrichten von den Toten in Douglaston hörte oder in der Zeitung davon las. Außerdem hatte Amir gehört, wie Khalil bei dem Handyanruf im Haus der Haythams seinen Namen genannt hatte. Khalil wusste, dass er Amir im Auge behalten musste; möglicherweise hatte der Mann erraten, welches Los ihm drohte, so wie Farid Mansur, und er könnte einen Fluchtversuch unternehmen, statt sich mit seinem Schicksal abzufinden – so wie Mansur.
    Khalil sagte zu Amir: »Sie erweisen unserer Sache einen großen Dienst, Amir. Sie werden dafür belohnt werden, und Ihre Angehörigen in Tripolis werden Nutzen aus dem Dienst ziehen, den Sie unserem Land, unserem Großen Führer, Oberst al-Gaddafi, und dem Islam erwiesen haben.«
    Amir schwieg eine Sekunde zu lange, dann nickte er und sagte: »Danke, Sir.«
    Khalil dachte daran, dass Malik ihn immer davor gewarnt hatte, zu viele Tote zu hinterlassen. »Ein ermordeter Mann – oder auch eine Frau – «, hatte Malik gesagt, »ist so, als ob du auf deiner Reise Fußabdrücke hinterlässt. Töte, wen du töten musst und zu töten gelobt hast, aber versuche gnädig zu den anderen zu sein, vor allem zu denjenigen, die unseres Glaubens sind.«
    Khalil schätzte Maliks Rat, denn er war ein alter Mann, der viel erlebt hatte, darunter auch den Krieg, den die Italiener und die Deutschen gegen die Briten und Amerikaner geführt und bei dem sie den Sand von Libyen mit ihrem Blut getränkt hatten. Malik hatte zu seinem jungen Schützling gesagt: »Asad, es gibt nichts Schöneres auf der Welt, als zu sehen, wie die Christen einander abschlachten, während ihnen die Söhne und Töchter des Islam zujubeln.«
    Ja , dachte Khalil, Malik hat viel erlebt und getan, und er hat zahlreiche
Ungläubige getötet. Aber manchmal war er bei den Amerikanern zu vorsichtig, und zwar wegen des Bombenangriffs.
    Asad Khalil dachte wieder an die Nacht zum 15. April 1986 und sah sich als jungen Mann auf dem flachen Dach des Gebäudes in der alten italienischen Kolonialfestung Al Aziziya liegen. Er war mit einer jungen Frau zusammen gewesen … aber er konnte sie weder sehen noch sich an sie erinnern … er erinnerte sich lediglich an das auf ihn zurasende Flugzeug, an das Höllenfeuer, das aus seinem Heck schoss, und das ohrenbetäubende Röhren der Triebwerke … und dann explodierte die ganze Welt. Und die Frau starb.
    Wäre die Nacht in diesem Moment vorüber gewesen, wäre sie immer noch die schlimmste Nacht seines Lebens gewesen. Aber später, als er nach dem Bombenangriff zu seinem Haus zurückkehrte,

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