Der Löwe
ganz anders als in einem Mannschaftsraum des NYPD zu jeder Tageszeit.
Ein paar Schreibtische weiter hatte Gabe Haytham gearbeitet, und ich sah, dass die Leute von der Personalabteilung seine Sachen – die persönlichen wie die dienstlichen – bereits in hübsche weiße Kartons verpackt hatten, und fragte mich, ob Gabe irgendwelche Angehörigen hatte, die seine persönlichen Habseligkeiten in Empfang nehmen würden.
Auf der anderen Seite des offenen Raums befanden sich die Kabuffs, in denen die FBI-Agenten arbeiteten, und ich schaute zu Kates Schreibtisch.
Dann tauchte Captain Paresi in der Abteilung auf und kam zu meinem Schreibtisch.
»Ein Ausflug in niedere Gefilde?«, fragte ich.
Er setzte sich auf den Stuhl neben meinem Schreibtisch und fragte mich: »Wie geht’s Ihnen?«
»Gut.«
»Ich glaube, Sie machen eine posttraumatische Stresserfahrung durch«, sagte er zu mir.
Offenbar war Walsh eine gute Begründung eingefallen, aufgrund derer ich um Urlaub bitten konnte. Ich ging nicht darauf ein.
»Niemand hier«, versicherte er mir und ließ den Arm rundum
über die Reihen leerer Schreibtische schweifen, »wird weniger von Ihnen halten, wenn Sie darum bitten, eine Zeitlang bei Ihrer Frau sein zu können. So etwas tut man als Ehemann.«
Ich war mir nicht sicher, ob ich mich auf die Eheberatung eines Mannes einlassen sollte, der dreimal verheiratet war.
»Wieso haben Sie mehr über den Mord an Amir gewusst, als ich Ihnen erzählt habe?«, fragte er mich.
»Ich habe meine Quellen«, erwiderte ich.
Er wechselte das Thema und sagte: »Ich nehme Ihre Akte über Khalil an mich.«
Ich holte meine Schlüssel aus der Hosentasche und schloss den Aktenschrank neben meinem Schreibtisch auf. In der untersten Schublade war ein Ordner mit der Aufschrift »Programm zur sozialen Unterstützung der islamischen Gemeinde«. Ich holte ihn heraus und gab ihn Paresi, der einen Blick auf das Inhaltsverzeichnis warf, lächelte und sagte: »Hoffentlich lesen Sie diese Memos sorgfältig.«
»Hey, ich organisiere in den Schischa-Bars in Bay Ridge Schönheitswettbewerbe mit nasser Burka.«
Er öffnete den Ordner, blätterte ihn durch und stellte mir noch ein paar weitere Fragen. Ich berichtete ihm von den Bemühungen des Löwenjägerteams im Laufe der letzten drei Jahre und schloss: »In den hiesigen muslimischen Kreisen scheint niemand irgendwas über Asad Khalil zu wissen. In der kleinen libyschen Gemeinschaft ist er allerdings bekannt. Sein Vater, Hauptmann Karim Khalil, war ein hohes Tier in Gaddafis Regierung, und die Familie Khalil stand der Familie Gaddafi sehr nahe.« Des weiteren erklärte ich ihm: »Hauptmann Khalil wurde in Paris ermordet, angeblich von israelischen Agenten, wodurch er ein Märtyrer für den Islam und ein todsicherer Kandidat fürs Paradies wurde.« Und ich fügte hinzu: »Tatsächlich aber war es Gaddafi persönlich, der den Anschlag befahl.«
»Warum?«
»Die CIA sagt, dass Gaddafi eine sexuelle Beziehung mit Mrs Khalil hatte, Asads Mutter.«
»Allen Ernstes?«
»Es ist ein bisschen kompliziert, aber die CIA hat versucht, Asad Khalil mit dieser Info umzudrehen, damit er Gaddafi kaltmacht. «
Paresi dachte darüber nach, gab aber keinen Kommentar dazu ab.
»Das ist alles, was ich sagen darf, und alles, was Sie wissen wollen … außer, dass Sie ein Auge auf die Jungs am Broadway 290 haben sollten.«
Paresi nickte.
Ich fuhr fort: »Vor Karim Khalils Einzug ins Paradies wohnten er und seine Familie in einer ehemaligen italienischen Militäranlage in Tripolis namens Al Aziziya. Das war eine Siedlung für Privilegierte, in der auch die Khalils ein Haus hatten. Es war eine hübsche, ruhige Gegend, bis zur Nacht auf den 15. April 1986, als vier F-111 der US Air Force, die Teil einer größeren Kampfgruppe waren, acht schwere Bomben auf die Anlage abwarfen und unter anderem Gaddafis Adoptivtochter und, wie schon gesagt, Asad Khalils gesamte Familie töteten – seine Mutter, zwei Schwestern und zwei Brüder.«
Captain Paresi verarbeitete das, dann fragte er: »Wie hat der Mistkerl überlebt?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte ich. »Aber Asad Khalil würde Ihnen erklären, dass er von Gott verschont wurde, um Rache zu üben, für sich und für den Großen Führer, Muammar al-Gaddafi. «
»Richtig. Nach all den Jahren immer noch sauer.«
»Ich wär’s auch.«
»Und Chip Wiggins war der letzte dieser acht Piloten.«
»So ist es«, erwiderte ich.
»Also wird’s Zeit für die
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