Der Löwe
Mannschaftsspieler. Wir sind Individualisten. Wir sind Amerikaner. Wir sind Cowboys.
»John?«
Ich schaute zu Walsh.
»Ich habe gesagt, ich hätte diesen Bericht und das Memo gern innerhalb der nächsten zweiundsiebzig Stunden.«
Ich hätte ihm am liebsten gesagt, dass wir innerhalb der nächsten zweiundsiebzig Stunden alle tot sein könnten. Dann müsste ich weder den dämlichen Bericht noch das dämliche Memo schreiben. »Kein Problem«, sagte ich stattdessen.
Er versicherte mir: »Ihr Urlaubsantrag wird keinerlei negative Auswirkungen auf Ihre Karriere haben, und auch Ihr Wunsch, bei Ihrer Frau zu sein, wird keinerlei negative Folgen nach sich ziehen.«
Das Ganze wurde mir allmählich ein bisschen zu eintönig, um nicht zu sagen albern. Ich meine, ich hatte hier keine Karriere. Ich hatte einen Kontrakt. Und eines Tages würde ich ihn
durchlesen und sehen, was ich tun musste, um hier wegzukommen.
Aufgrund meines Schweigens hatte Walsh womöglich gedacht, ich wäre unschlüssig oder glaubte ihm nicht, deshalb schob er nach: »Ich werde Ihrer Akte ein Belobigungsschreiben hinzufügen, in dem ich Ihnen für Ihre Dienste im Allgemeinen und Ihre herausragende Arbeit bei diesem Fall danke.«
»Ich werde das Gleiche tun«, fügte Paresi hinzu, als hätte er es einstudiert.
Danke, Judas. Ich hatte den Eindruck, je weniger ich sagte, desto mehr kriegte ich. Wenn ich zehn Minuten den Mund halten könnte, bekäme ich eine kostenlose Taxifahrt nach Hause und eine Metrokarte. Ich wollte nur noch weg, deshalb sagte ich zu Walsh und Paresi: »Ich weiß das zu schätzen.«
»Dieser Fall ist wie alle unsere Fälle der Geheimhaltung unterworfen«, erinnerte mich Walsh. »Sie haben eine Einverständniserklärung unterschrieben, dass Sie über nichts sprechen, nichts enthüllen oder preisgeben, was Ihre Aufgaben hier betrifft. «
Ich warf einen Blick auf meine Uhr.
»Und ich bitte Sie, über diesen Fall auch mit niemandem in dieser Dienststelle zu sprechen – oder mit irgendjemand von der Staatspolizei oder irgendeiner anderen Polizeibehörde oder einem Nachrichtendienst, solange Sie nicht meine persönliche Erlaubnis dazu haben.«
»Alles klar.«
»Für Kate gelten die gleichen Auflagen wie für Sie«, erinnerte mich Walsh.
»Okay. Sind wir fertig?«
»Nein.« Walsh fuhr fort: »Zu diesem Fall wurde eine Nachrichtensperre verhängt – auf höherer Ebene genehmigt –, und es versteht sich wohl von selbst, dass Sie nicht mit Reportern sprechen.«
Er wandte sich dem nächsten Thema zu: »Ich habe Vince gebeten« – er nickte Captain Paresi zu, falls ich vergessen haben sollte, wer Vince war –, »Personenschutz für Sie und Kate zu engagieren.«
»Angehörige der SEG werden rund um die Uhr in der Lobby Ihres Apartmentgebäudes sein«, teilte mir Paresi mit.
Das ist die Spezialeinsatzgruppe, mit der ich letzte Woche bei der Observation des iranischen Diplomaten zusammengearbeitet hatte. Sie gehören zur Antiterror-Task Force und sind größtenteils Detectives vom NYPD, aber auch ein paar FBI-Agenten sind darunter. Ihr Spezialgebiet ist nicht nur die Observation, sondern auch Überwachungsabwehr und Personenschutz. Sie sind gut, aber ich konnte sie auch abhängen, wenn es sein musste.
»Sie beide sollten diesen Personenschutz auch in Anspruch nehmen«, schlug ich vor.
»Captain Paresi und ich werden die notwendigen Vorkehrungen treffen«, erwiderte Walsh.
»Gut. Eine Sache weniger, um die ich mir Gedanken machen muss.«
Wir alle fanden das komisch, und jeder lächelte.
»Ich will nicht, dass mir Überwachungsleute folgen«, erklärte ich ihnen.
Einen Moment lang herrschte Schweigen, dann sagte Walsh: »Man wird Ihnen ein Team zuweisen, wenn Sie unterwegs sind.«
»Ich kann selber auf mich aufpassen«, erinnerte ich sie beide. »Außerdem habe ich eine Knarre.«
»Schauen Sie, John, wir wollen nicht noch einen Agenten verlieren«, sagte Paresi. Er lächelte. »Nicht einmal Sie. Sie, ich, Tom, George und vielleicht noch ein paar andere Leute werden Angehörige der SEG zugeteilt bekommen – so schnappen wir den Kerl womöglich«, erklärte er mir.
»Ich bin immer noch bereit, als Köder zu fungieren«, sagte ich zu Walsh.
»Ich glaube, wir sind jetzt alle Köder«, erwiderte er.
»Gut zu wissen.« Walsh war also endlich zu der unerfreulichen Schlussfolgerung gelangt, dass wir keinen Schimmer hatten, wie wir Asad Khalil finden sollten – abgesehen davon, dass wir uns von Khalil finden ließen.
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