Der Lord und die Betrügerin
Handrücken ihres Handschuhs wischte sich Penelope über die Nase, dann wand sie sich aus ihrem Versteck und lief die Treppe des Turms hinunter, so schnell ihre Füße sie trugen. Als sie unten war, stolperte sie in voller Geschwindigkeit über eine Katze und stieß beinahe ein Mädchen um, das zwei gerupfte Gänse in die Küche brachte.
»Hey - pass auf, wohin du...« Doch als sie Penelope erkannte, eine der Töchter des Barons, trat das Dienstmädchen schnell einen Schritt zurück. »Oh, M'lady, es tut mir Leid. Ich habe Euch nicht gesehen. Das ist alles mein Fehler.«
»Es ist doch nichts passiert. Keine Sorge.« Penelope konnte keine Zeit damit verschwenden, sich zu entschuldigen. Sie hastete quer durch den Gemüsegarten in die Küche, wo ein Junge gerade ein Bündel Holz in das Feuer warf und ein anderer den Spieß drehte, an dem ein saftiges Schwein geröstet wurde. Ein Mädchen zerstieß Kräuter in einem Mörser, ein anderes schnitt Apfel, während die Köchin aufgeschlitzte Aale füllte.
Aber Penelope, die nichts anderes im Kopf hatte als ihre Aufgabe, bemerkte von all dem fast nichts. Die Köchin blickte kurz auf, als sie weiter zur Hintertreppe eilte. »Miss Penelope, solltet Ihr nicht...«
Den Rest hörte sie schon nicht mehr. Ihre Stiefel polterten über die Treppe nach oben, in die dritte Etage, wo sie atemlos in Elyns Zimmer platzte.
»Er ist hier!«, keuchte sie und warf sich auf das Bett, um dann an die geweißte Decke zu blicken, während das kleine Feuer im Kamin und einige wenige Kerzen in ihren Haltern im Raum ein schwaches Licht gaben. »Der Lord von Penbrooke ist angekommen.«
Kieras Magen verknotete sich. Sie hatte jetzt zwei Möglichkeiten - sie konnte die Wahrheit sagen und sowohl Penbrooke als auch ihren Vater in Verlegenheit bringen, oder sie konnte Elyns haarsträubenden Plan in die Tat umsetzen. Erst am gestrigen Abend, ehe sie ins Bett gegangen war, war Elyn in ihr Zimmer gekommen und hatte ihre Hand gehalten; sie hatte ihre Finger mit denen von Kiera verschränkt. »Du sollst wissen, dass ich alles für dich tun würde«, hatte ihre Schwester gesagt. »Selbst wenn die Dinge genau andersherum lägen und du diejenige wärst, die dieses Biest von Penbrooke heiraten müsste. Ich würde in jedem Fall deinen Platz einnehmen, nur für eine Nacht, ganz besonders, da Penbrooke nicht mehr wissen wird, wo oben oder unten ist, nachdem er den Arzneitrank zu sich genommen hat. Es ist wirklich kein Risiko dabei. Schließlich werde ich dann für den Rest meines Lebens mit einem Mann verheiratet sein, den ich verabscheue. Ich kann nur hoffen, dass es ein kurzes Leben sein wird.« Sie hatte geblinzelt, weil ihr Tränen in die Augen getreten waren, dann hatte Elyn Kiera fest in ihre Arme geschlossen.
Kiera hatte die ganze Nacht unglücklich auf die schwachen Schatten gestarrt, die das Feuer an die Decke geworfen hatte, und hatte sich gefragt, ob sie wirklich zu selbstsüchtig war. Wie würde sie sich fühlen, wenn man sie einem Mann versprochen hätte, den sie noch nie in ihrem Leben getroffen hatte und von dem behauptet wurde, dass er ein Schwerenöter war? Gegen Morgen war sie eingeschlummert und hatte geträumt, dass Elyn zu ihr gekommen war und ihr zugeflüstert hatte: »Es tut mir Leid«, während sie Kiera das mit Juwelen besetzte Kreuz ihrer Mutter in die Hand gedrückt hatte. Kiera war erschrocken aufgewacht, sie war schweißgebadet, und ihr Herz schlug heftig, doch das Zimmer war leer gewesen. Sie wollte den dummen Traum schon beiseite schieben, doch dann entdeckte sie die Halskette, die um ihr Handgelenk lag. Und Elyn war verschwunden.
Und jetzt war der Lord von Penbrooke hier.
Er würde darauf bestehen, seine Braut zu sehen. Gütiger Himmel!
Auf dem Bett rollte Penelope sich auf den Bauch.
»Wie viele Männer hat er bei sich?«, fragte Kiera, und in ihrem Kopf wirbelten die Gedanken, ein leichter Schweißfilm bedeckte ihre Haut. Konnte sie den verrückten Plan ihrer Schwester durchführen, nur um ihrem Vater die Unannehmlichkeiten zu ersparen?
»Eine Hand voll.«
»Auch ein Priester?«
»Das konnte ich nicht erkennen.«
Kieras Herz schlug bis zum Hals, ihr Puls raste. Sie rieb die feuchten Handflächen an ihrem Rock ab. Es würde doch nur ein paar Stunden dauern. Das war alles. Dann wäre ihre Schwester verheiratet, ihr Vater wäre glücklich, und das Bündnis mit Penbrooke wäre geschlossen. Schon bald wäre alles vorüber. Es war wirklich nur eine Kleinigkeit. Doch ihr Hals
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