Der Lord und die Betrügerin
Ein Schauer rann durch Elyns Körper. Ihr Herz schlug schneller.
Sie konnte nicht zurück und sich dem Zorn ihres Vaters stellen. Genauso wenig konnte sie Penbrooke heiraten, denn sie würde ihn niemals lieben können. Elyn würde sich standhaft weigern, ohne Liebe zu heiraten.
Und jetzt ist Penbrooke Kieras Problem, ertönte eine nagende Stimme in Elyns Kopf. Kieras Schicksal. Kieras Untergang.
Nun gut. Besser sie als ich!
Doch der Wind, der durch den Wald heulte, schien sie zu verspotten, schien sie zu verhöhnen, weil sie sich wie ein Dieb in der Nacht davongeschlichen hatte.
Kiera wäre nun diejenige, die sich diesem Mann widersetzen müsste, eine Nacht nach der anderen... wenn sie erst einmal begriffen hatte. Dann würde sie irgendwann nachgeben, würde ihr Schicksal akzeptieren müssen. Ein Schuldgefühl, so heftig wie der Stoß eines Dolches, traf Elyn erneut. Sie kniff verdrossen die Augen zu und verbannte dieses Gefühl mit aller Macht. Sie hatte keine Zeit für Zweifel.
Außerdem würde Kiera das Beste aus der ganzen Situation machen. Sie war ein kluges Mädchen.
Dennoch biss sich Elyn auf die Lippe, bis sie blutete, während sie an Lawenydd dachte und an die Zeremonie, die dort bald stattfinden würde. Verzeih mir, betete sie insgeheim, dann zwang sie ihre Gedanken auf den Weg, der vor ihr lag.
Und zu Brock.
Oh, kostbarer, kostbarer Geliebter. Ihr Hals zog sich zusammen. Er war jede Sekunde des Bedauerns wert, das sie seinetwegen fühlen würde.
Weit in der Entfernung hörte sie Glocken läuten.
Hochzeitsglocken.
Glocken, die die Hochzeit von Elyn von Lawenydd mit dem Lord von Penbrooke ankündigten.
»So sei es«, flüsterte sie und drängte ihre unwillige Stute weiter.
Zu Brock.
Als die Glocken ihr elendes Schicksal verkündeten, schloss Kiera die Augen und holte tief Luft. Dann schritt sie langsam in die Kapelle. Also hatte Elyn sie wirklich im Stich gelassen. Angst und Zorn kämpften in Kiera. Wenn ihre Schwester später am Abend zurückkehrte, könnte sie von Glück reden, falls Kiera ihr nicht den Hals umdrehte.
Durch den dichten Schleier sah sie nur wenig, aber zumindest hatte sie den Weg zum Altar geschafft, wo Kerzen brannten und ein Mann - Elyns Bräutigam - auf sie wartete. Gott, hilf mir.
Sie verspürte einen Stein in ihrem Magen, als sie einen Blick in seine Richtung wagte. Wegen der dicken Spitze erkannte sie sein Gesicht nur undeutlich. Doch konnte sie feststellen, dass er groß war und breite Schultern hatte, einen geraden Rücken, einen flachen Bauch und lange Beine. Er sah aus wie ein Krieger. Das Licht der Kerzen spiegelte sich in seinem dichten, dunklen Haar.
Er wirkte ganz anders, als Elyn es behauptet hatte. Kiera schluckte und fühlte, dass das Gesicht des Biestes von Penbrooke hart war, obwohl sie kaum was sah.
Es war dämmrig in der kleinen Kapelle, die wenigen Menschen verschwammen vor ihrem Blickfeld. Lieber Gott, verzeih mir diesen Betrug, betete sie inständig. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie sich rasch bekreuzigte und dann neben Elyns Verlobtem niederkniete. Sie fühlte sich neben ihm wie ein Zwerg, und sie senkte den Kopf, allerdings eher, um ihr Gesicht vor ihm zu verbergen, als aus Frömmigkeit. Zusammen mit dem Geruch nach Weihrauch und brennenden Kerzen stieg ihr der schwache Duft nach Holzfeuer und Leder in die Nase, und noch etwas anderes roch sie - etwas beängstigend Männliches, das von ihm ausging. Ihre Schulter berührte beinahe seinen Arm, so nahe waren sie einander. Und war es nur ihre Einbildung, oder fühlte sie wirklich Ablehnung, sogar Zorn, der von ihm ausging, als wäre er genauso wenig glücklich über diese Heirat wie sie?
Sie fühlte, dass er ihr einen schnellen Blick von der Seite zuwarf.
Sie schluckte.
Er war so groß. So beeindruckend. So... männlich.
Heilige Mutter, was sollte sie nur tun? Ihr Herz raste so schnell wie die Flügel eines Kolibris, ihr Hals war so trocken wie der Sand in der Wüste.
Der Priester murmelte ein Gebet, doch sie konnte die Worte kaum hören, so laut rauschte das Blut in ihren Ohren. Es war ein Fehler. Sie hätte diesem Plan niemals zustimmen dürfen.
Sicher, Hildy würde den Trank in seinen Becher mit Wein schütten, so wie sie es zuvor besprochen hatten, aber wenn nun die Kräuter nicht stark genug waren? Wenn er nun gar keinen Wein trinken wollte? Wie sollte sie reagieren, wenn er nichts anderes wollte, als mit seiner Frau ins Hochzeitsbett zu steigen?
Sie stöhnte innerlich auf. Sie
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