Der Lord und die Betrügerin
es endlich so weit. Die große Abrechnung stand bevor. Kieras Magen stülpte sich fast um. Sie versuchte, über die Schulter hinweg einen Blick auf ihre Schwester zu erhaschen, während sie in die große Halle gesteuert wurde. Einige der Wachleute sahen zwar in ihre Richtung, blieben aber stumm. Wie konnte sie das alles erkären? Was konnte Elyn zu ihrer Verteidigung vorbringen? Und was wusste Kelan bereits ? Es war beinahe so, als würde er sie verspotten, als würde er sie aus feurigen Augen verbrennen. Die Finger, die sich um ihren Arm geschlossen hatten, waren strafend, sein Griff so fest wie eine Fessel.
Kelan deutete auf einen Stuhl neben dem Kamin. »Du, wer immer du auch bist, setz dich!«, befahl er Elyn. Sie zögerte, schien etwas sagen zu wollen, doch als sie die Entschlossenheit im Blick seiner grauen Augen sah, ließ sie sich wie ein Stein auf den Platz neben dem Feuer fallen. »Also, wer bist du?«
Elyn sah elend aus, während sie nach Worten suchte. »Ich bin...«
»Sie ist deine Frau«, sagte Kiera schnell. Die Wahrheit brach sich Bahn.
»Meine Frau?«
Kiera nickte und sah, wie der Zorn in seinen Augen aufblitzte. Er hatte es gewusst. Von der Sekunde an, in der er die Schwestern auf dem Schlosshof zusammen gesehen hatte. Oder vielleicht schon vorher? Was sie ihm eröffnete, war also nicht die Überraschung für ihn, die sie erwartet hatte. »Ja, Elyn von Lawenydd.«
»Also hast du mir an diesem Abend vor ein paar Tagen die Wahrheit gesagt, als ich glaubte, du würdest dir einen Scherz erlauben?«, fragte Kelan mit diesem Besorgnis erregenden ruhigen, brennenden Zorn. »Warum hast du mich nicht korrigiert... Kiera - ist das also dein richtiger Name?«
Oh, Gott, hilf mir. Er sah sie so eindringlich an, dass sie am liebsten im Boden versunken wäre. »Ja, Kelan«, flüsterte sie, und das Herz schlug ihr bis in den Hals. »Ich bin Kiera. Elyns Schwester.«
»Aber du bist diejenige gewesen, die bei mir in diesen letzten...« Seine Stimme erstarb, und Kiera wusste, dass er an ihr eigenartiges Verhalten während der Hochzeitszeremonie dachte. Genauso wie an die Zeit danach, an ihre Weigerung, sich zu den Gästen zu gesellen, an ihre Behauptung, sie sei krank, an die versteckten Fläschchen, an seine Benommenheit und an ihre Vorsicht, mit den Menschen zusammen zu sein, die sie erkennen konnten, an ihren Wunsch, nicht mit nach Penbrooke zu kommen. Jeder Muskel in seinem Gesicht war angespannt, und die Haut über den Wangenknochen straffte sich. Seine Lippen bewegten sich kaum bei seinen nächs ten Worten. »Du hast mich die ganze Zeit betrogen, du hast mich angelogen, meine Familie. Als ich glaubte, du würdest die Wahrheit sagen, hast du gelogen. Und als du mir dann die Wahrheit gesagt hast, habe ich geglaubt, du würdest einen Spaß machen. Wie konnte ich einer solchen Frau je vertrauen?«, fragte er flüsternd. Sein Herz verhärtete sich dieser Frau gegenüber, von der er geglaubt hatte, sie sei seine Ehefrau. »Wie kann ich überhaupt je wieder einer Frau vertrauen? Es stellt sich heraus, dass die Frau, von der ich glaubte, sie sei meine Ehefrau, eine Betrügerin ist. Und die Frau, die meine Ehefrau ist, ist eine Lügnerin und eine Pferdediebin. Ihr habt beide die Köpfe zusammengesteckt und einen Plan ausgeheckt, um mich zu ruinieren, mich, meine Familie und meinen Namen.«
Kiera fühlte, wie alle Farbe aus ihrem Gesicht wich. »Nein.« Aber ihr Widerspruch klang zu schwach. Deshalb zwang sie sich, den Kopf zu heben und ihm in die Augen zu sehen, aus denen ihr alles versengender Zorn entgegenblitzte. »Niemals.«
»Du wagst es, abzustreiten, dass ihr beide absichtlich einen Plan ausgeheckt habt, mich wie einen Idioten dastehen zu lassen?« Sein Blick pendelte von Kiera zu Elyn und wieder zurück.
»Verzeih mir«, flüsterte Kiera. »Das war nicht meine... äh, unsere Absicht.«
Sein Zorn veränderte sein Gesicht von Unglauben zu nackter Wut. »Warum sonst hättet ihr so etwas getan?«
Kiera schluckte und zwang sich, sich seinem Zorn zu stellen. Endlich hatte sie die Möglichkeit, den ganzen einfältigen Plan zu erklären, den Kelan nicht hatte hören wollen, ehe er weggeritten war. »Es sollte doch nur für eine Nacht sein«, erklärte sie. »Ich sollte die Eheschwüre sprechen, mich dann im Zimmer verstecken und dafür sorgen, dass du das Zimmer nicht verlässt... Die Fläschchen waren dafür vorbereitet, du solltest tief und fest schlafen. Und wenn du aufwachtest, dann solltest du sehen,
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