Der Lord und die Betrügerin
schwierig. Dazu hatte er den Versuch gemacht, ehrlich zu sein und seine Sünden zu beichten. Er hatte sogar gestanden, dass er es gewesen war, der Kiera erlaubt hatte, an diesem Abend vor drei Jahren auf Obsidian zu reiten. Er war es gewesen, der ungehorsam gewesen war, gegen alle Vernunft. Er hatte für sie das Pferd gesattelt und ihr versprochen, keiner Seele zu verraten, dass sie sich den kostbaren Hengst ihres Vaters ausgeliehen hatte. Sein Fehler hatte den Baron einen unbezahlbaren Hengst gekostet und Kiera beinahe das Leben. Die Prügel, die er dafür kassiert hatte, waren nur eine kleine Strafe für seine Idiotie gewesen. Dass sein Vater, Orson, nicht seine Stelle als Stallmeister verloren hatte, war ein Wunder. Und Orson hatte dafür gesorgt, dass Joseph das niemals vergaß.
Trotz seiner Bemühungen, gottgefällig zu sein, hatte er den Mund gehalten, wenn es um seine Gefühle für Lady Elyn ging. Seine Leidenschaft für sie hatte sich mit den Jahren abgekühlt. Jetzt war es ihre jüngere Schwester, die freundlichere der beiden Frauen, die sein Blut in Wallung brachte, die sein dummes Glied dazu brachte, sich zu regen, so hart wie ein Eichenstamm zu werden, zu den unpassendsten Zeiten. Gütiger Himmel, was war er doch für ein Schwachkopf.
Er durfte jetzt an keine der beiden Ladys denken. Nicht, wenn ein Pferd fehlte. Er kniff die Augen zusammen und hoffte, dass er sich irrte. Er suchte die Weide noch einmal ab, doch die temperamentvolle Stute konnte er nirgendwo entdecken. Sie war nicht da. Verschwunden. Oder... sein Magen verknotete sich bei diesem Gedanken.
»Hey! Joseph! Was ist los mit dir?«, wollte sein Vater wissen. Er hielt eine Peitsche in der Hand und humpelte den gewundenen Pfad entlang, der über den Hügel führte. »Wir haben Arbeit zu erledigen, falls du das noch nicht bemerkt haben solltest. Die rote Stüte bekommt ihr Fohlen, und sie tut sich schwer. Denkst du nicht, dass du dich um sie kümmern solltest?«
»Aye.« Joseph nickte. »Ich bin schon unterwegs.« Er zögerte, doch dann entschied er, dass sein Vater die schlechten Neuigkeiten wissen musste. »Ich glaube, es fehlt ein Pferd«, gestand er ihm. »Royal, die kleine Stute mit der schiefen Blesse auf der Stirn.«
»Royal fehlt? Was willst du damit sagen?«, fragte Orson, doch sein Blick glitt bereits über die Herde, während er - genau wie sein Sohn - in Gedanken all die Pferde durchging, die anderswo gebraucht wurden. »Sie war doch heute Morgen noch hier, nicht wahr?«
»Das weiß ich nicht.« Joseph rieb sich den Nacken und dachte nach. »Ich glaube nicht.«
»Gestern?«
»Ich bin nicht sicher.«
»Du meinst diese aufsässige kleine Stute, die im letzten Herbst den Karrenmacher getreten und ihm beinahe das Bein gebrochen hat?«, hakte Orson nach.
»Aye, Royal, wie ich gesagt habe«, fuhr ihn Joseph ärgerlich an. »Sie ist weg. Keine Spur von ihr.« Joseph wandte sich noch einmal um und blickte über die Herde, als könne sich die Stute im Schatten eines größeren Pferdes versteckt haben.
»Bist du sicher, dass niemand sie geholt hat, um mit ihr auszureiten?«
»Wer denn?«
Sein Vater hob eine Hand zum Himmel. »Ich weiß es nicht. Irgendjemand. Lady Kiera reitet die Stute oft, nicht wahr?«
»Manchmal, aber nicht heute. Heute Morgen kam sie zum Stall und hat nach Garnet gefragt, das weißt du doch. Aber sie ist ein paar Stunden später wieder mit ihr zurückgekommen. Schau, dort drüben ist das Pferd, in der Nähe des Baumes.« Joseph deutete mit einem Finger in die Richtung. Als wüsste Garnet, dass sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand, hob sie kurz den Kopf, dann zupfte sie wieder an dem Gras und peitschte mit dem langen Schweif.
»Verflucht«, murmelte Orson. »Wie konnte so etwas passieren?«
Joseph antwortete nicht. Unter Orsons linkem Auge zuckte ein Muskel, während er die Herde genau betrachtete. Er zog die alten Augen nachdenklich zusammen. »Ist sie nicht beim Schmied, um neue Hufeisen zu bekommen, oder hat einer der Jäger sie mitgenommen, oder...«
»Oder was?«, fragte Joseph. »Ich habe schon an alles gedacht, wo sie wohl sein könnte. Sie fehlt, das sage ich dir.«
»Aber wer würde gerade dieses Pferd stehlen? Wenn überhaupt jemand ein Pferd stehlen wollte.«
»Ich habe nicht gesagt, dass sie gestohlen worden ist«, antwortete Joseph.
»Nun, sie ist weg, und wenn sie nicht einfach weggelaufen ist, dann hat jemand sie mitgenommen. Was also hat das für einen Sinn?« Orson deutete auf die
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