Der Lord und die Betrügerin
Sie hatte das Haar zurückgebunden und ein sauberes Kleid angezogen, das schimmerte und raschelte, wenn sie sich bewegte.
»Ich habe gebeten, dass man uns noch mehr Wein nach oben schickt«, erklärte sie. Selbst in dem dämmrigen Zimmer, wo das Licht der untergehenden Sonne schnell schwand, war sie in seinen Augen wunderschön, obwohl ihre Gesichtszüge im Schatten lagen.
»Sollten wir nicht zu deinem Vater gehen?«
»Später«, wehrte sie ab und warf ihm einen Blick aus den Augenwinkeln zu, ein Blick, der gleichzeitig unschuldig und verführerisch war.
»Ich wollte gerade meine Männer suchen und mit ihnen über die Abreise reden. Wir sollten morgen in aller Frühe nach Penbrooke aufbrechen.«
Bildete er sich das nur ein, oder war da ein Ruck durch sie gegangen? »Schon so bald? Können wir nicht noch einen oder zwei Tage damit warten?«
»Das denke ich nicht.« Erneut fiel ihm ihre Zurückhaltung auf. Sie ging zum Bett, und er bemerkte, dass ihre schmalen Hände zu Fäusten geballt waren.
»Möchtest du denn Penbrooke nicht kennen lernen? Es ist immerhin dein neues Zuhause.«
»Mit der Zeit schon.« Er sah, dass ihr Rücken kerzengerade war. Nervös zupfte sie an den Falten ihres Rockes. »Es ist halt einfach noch zu früh.«
»Du kannst hierher zu Besuch kommen, sooft du willst. Es ist doch nur ein Ritt von drei Tagen.«
»Ich weiß, aber...« Sie biss sich auf die Unterlippe und schien dann ihre innere Kraft wiederzufinden.
Er fühlte, wie er zum Nachgeben bereit war. Seine Mutter würde bestimmt noch ein paar Tage länger leben. Als er vor vier Tagen zu Hause losgeritten war, war sie zwar zerbrechlich gewesen, aber guter Dinge wegen seiner bevorstehenden Hochzeit. »Wenn es dir Freude macht, können wir noch einen Tag bleiben, vielleicht auch zwei, aber dann müssen wir wirklich abreisen.«
»Ja, o ja«, versicherte sie ihm erleichtert. »Zwei Tage. Das ist alles, was ich brauche, dann werde ich gern mit dir reiten zu meinem neuen Zuhause.« Sie lächelte ihn an, obwohl in ihren Augen Schatten lagen und noch etwas anderes. Angst?
»So sei es denn.« Er richtete sich auf und klopfte seine Hände ab. Es war an der Zeit, dass er sie nach den Fläschchen fragte. »Ich habe etwas gefunden«, sagte er und steckte die Hand in die Tasche, doch gerade in diesem Augenblick klopfte es an die Tür.
Sie zuckte zusammen.
»Ich gehe schon«, meinte er. Er hatte das Zimmer schon zur Hälfte durchquert, als er bemerkte, dass sie zum Fenster ging und nach draußen starrte, so dass sie demjenigen, der geklopft hatte, den Rücken zudrehte, als er die Tür öffnete. Eine ältere Dienerin stand im Flur, die er auch schon bei der Hochzeit gesehen hatte. Ihr Gesicht war runzlig, und sie blickte grimmig aus dunklen Augen. Sie trug ein Tablett, auf dem ein großer Krug und zwei halb gefüllte Becher standen, dazu noch ein kleinerer Teller mit Törtchen.
»M'lord«, sagte sie und senkte den Kopf mit dem schwarzen Haar, in dem sich graue Strähnen zeigten. »Ich gratuliere Euch zu Eurer Hochzeit.« Ihre alte Stimme klang ein wenig knarrend, aber er erkannte die Stimme. Es war dieselbe, die er auch schon zuvor in Kieras Zimmer gehört hatte.
»Danke.«
Elyn wandte sich nun um und begrüßte die Frau. »Das ist Hildy. Sie war die Zofe meiner Mutter und unsere Kinderfrau. Jetzt kümmert sie sich um mich.«
»Aye, ich fürchte, das ist wahr. Ich kenne die Lady, seit sie ein Baby war. Wie geht es Euch heute... Lady Elyn?«, fragte sie und stellte das Tablett auf den kleinen Tisch. Sie wischte einige Krümel weg, die auf den Boden segelten, und sah dann zum Bett.
Für den Bruchteil einer Sekunde lag Missbilligung in ihrem Blick, sie schürzte die Lippen ein wenig, als sie die zerwühlten Laken entdeckte.
»Möge... möge Eure Vereinigung viele kräftige Söhne und Töchter hervorbringen«, sagte sie und reichte Kelan einen Becher. »Und für Euch auch, Mylady.« Sie nahm den anderen Becher und ging damit auf seine Frau zu. »Kann ich sonst noch etwas für Euch tun?«
»Im Moment nicht.« Elyn nahm der alten Frau den Becher aus der Hand. »Danke, Hildy«, sagte sie, als die Frau das Tablett mit den Uberresten ihrer früheren Mahlzeit mitnahm und wieder ging.
Nun waren sie wieder allein.
Elyn lächelte ihn an. »Auf uns«, sagte sie. Sie stand mit dem Rücken zum Feuer, ihr Gesicht lag im Schatten, als sie den Becher an die Lippen hob.
»Auf den Lord und die Lady von Penbrooke.« Er stieß mit ihr an, dann nahmen sie
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