Der Lüge schöner Schein
uns sehr freuen, wenn sie zu uns kämen. Ich wollte Sie und Ihre Freundin ohnehin zum Abendessen einladen. Bringen Sie Ihr Gepäck also gleich mit. Die Geschichte hat Sie sicher beide schrecklich mitgenommen. Es wird Ihnen gut tun – es wird uns allen gut tun – wenn wir einander ein wenig Gesellschaft leisten. Bitte kommen Sie.«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen«, sagte Pascoe nicht sehr überzeugt.
»Gut«, unterbrach ihn Culpepper. »Dann kommen Sie so um fünf. Die Crowthers können Ihnen sagen, wie Sie fahren müssen. Auf Wiedersehen.«
Heute haben wohl immer die anderen das letzte Wort, dachte Pascoe.
Constable Crowther war nach Hause gekommen und setzte sich an die andere Seite des Küchentisches. Er nickte Pascoe zum Gruß zu und begann zu essen. Hunger oder sein Fingerspitzengefühl hielten ihn davon ab, das Wort an Pascoe zu richten, und dieser wiederum sprach erst, als er ohne weitere Unterbrechung seinen Teller leer gegessen hatte.
»Das bedeutet viel Arbeit für Sie«, sagte er schließlich.
Crowther nickte.
»Schon ein bisschen. Im Schrank hinter Ihnen steht Bier, wenn Sie Lust haben.«
»Danke«, sagte Pascoe. »Normalerweise ist es ziemlich ruhig hier, nicht?«
»Ja, ziemlich. Gut für Einbrüche.«
»Tatsächlich?«
Crowther nickte und kaute gewissenhaft seinen Schinken. Jeden Bissen zirka dreißigmal kauen, dachte Pascoe.
»Hier leben jetzt nämlich hauptsächlich Geschäftsleute«, begann Crowther wieder. »Arbeiten in der Stadt. Ist viel gebaut worden in letzter Zeit.«
Der nächste Bissen. Wieder dreißigmal kauen.
»Und renoviert.«
»So wie Brookside Cottage?«
»Genau«, bestätigte Crowther heftig nickend.
»Stand es leer, als Mr. Pelman beschloss, es zu verkaufen?«
»Genau.« Der nächste Bissen. Dieses Mal zählte Pascoe mit. Achtundzwanzig, neunundzwanzig. »Mr. Pelman hat das nicht gefallen. War ein praktischer Zugang von der Straße zu seinem Wald für jeden, der sich ein paar Vögel schießen wollte. Und in die Cottages ist immer wieder eingebrochen worden. Zu stehlen gab’s da zwar nichts, die haben das mehr als Trainingsgelände für größere Sachen benutzt, kommt mir vor. Aber sie haben immer genug Schaden angerichtet.«
So war das also. Wilderer und Vandalen trieben sich also um das Cottage herum.
Aber Mörder? War schon erstaunlich, wie viele dazu wurden, wenn es hart auf hart ging.
Sogar Menschen, die man gut kannte.
»Pelman hat es also zum Verkauf angeboten?«, dachte Pascoe laut. »Ganz schön schlau. Da kommt ein bisschen Geld herein, und er hat jemanden, der die Stellung hält.«
»Eher weniger«, widersprach Crowther. »Es gibt ein Dutzend Stellen, an denen man in den Wald von Pelman reinkommt. Und gar so viel gibt’s da drinnen auch wieder nicht zu holen.«
»Kein Rotwild, keine Grizzlibären?«
»Nein«, antwortete Crowther und fügte, gleichsam als Tadel an Pascoes Anflug von Humor, hinzu: »Nur ’nen Haufen Polizisten im Moment.«
Pascoe nippte an seinem Bier. Crowther hatte, wie es schien, ein Faible für lauwarmes dunkles Ale. Das erinnerte ihn an die beiden Dorfpubs. In einem von ihnen war Rose Hopkins das letzte Mal von jemandem gesehen worden, der noch lebte und darüber berichten konnte. Von einer anderen Person abgesehen.
»Was ist der Unterschied zwischen dem Eagle and Child und dem Queen Anne?«, fragte er. Es klang wie eine Scherzfrage für Kinder, aber Crowther schien sich nicht darüber zu wundern.
»Der Eagle ist eine unabhängige Kneipe. Gehört Major Palfrey. Das Anne gehört einer Brauerei. Mr. und Mrs. Dixon betreiben das Lokal nur. Aber wie sie das machen, Hut ab, nette Leute.«
»Wer geht wohin? Oder gehen die Leute einfach in das Pub, das am nächsten liegt?«
Crowther sah ihn aufmerksam an. »Das könnte ich jetzt nicht sagen. Ich selber gehe ins Anne.«
»Nur, weil’s näher liegt?«, beharrte Pascoe. »Ich hätte gedacht, das Auge des Gesetzes hier müsste ein leuchtendes Beispiel für Unparteilichkeit gegenüber Gaststätten mit Schankerlaubnis sein.«
»Bin ich auch. Wenn ich im Dienst bin. Aber privat gehe ich lieber dorthin, wo ich mich wohl fühle.«
Er war anscheinend zu dem Schluss gekommen, dass er bei Pascoe ein geneigtes Ohr finden würde, und beugte sich vertraulich über den Tisch hinweg zu ihm.
»Der Unterschied ist, und das ist jetzt meine ganz persönliche Meinung«, fuhr er fort, »dass die Dixons einem das Gefühl geben, willkommen zu sein, beim Major habe ich immer das Gefühl,
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