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Der Lüge schöner Schein

Der Lüge schöner Schein

Titel: Der Lüge schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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er tut mir einen Gefallen, wenn er mir ein Bier zapft.«
    Er nickte, um das Gesagte zu unterstreichen und fing an, sich mit einem altmodischen Werkzeug eine lächerlich dünne Zigarette zu drehen. Pascoe lachte verständnisinnig.
    »Major Palfrey hält sich wohl eher für den Dorfjunker als für den Dorfwirt?«
    »Genau das ist das Problem hier«, bestätigte der Constable und zündete sich die Zigarette an, die wie eine Zündschnur abbrannte. »Diese verdammten Dorfjunker, die haben wir in rauen Mengen, nur mit den dazugehörigen Bauern sieht’s schlecht aus.«
    Wie sich herausstellte, gönnte sich Constable Crowther nach dem Essen stets ein zehnminütiges Schläfchen und sah keinen Grund, heute von dieser Gewohnheit abzuweichen. Pascoe fand das sehr bedauerlich. Was der Mann zu erzählen hatte, interessierte ihn, und er hatte noch immer dringenden Bedarf an Dingen, die sein Interesse erweckten. Er beschloss spazieren zu gehen, vielleicht ins Dorf, um zu sehen, was dort los war. Als er aufstand, fiel ihm ein, dass er keinem etwas über seine Pläne für heute Abend gesagt hatte.
    Mrs. Crowther kam in die Küche und räumte flink ab, während ihr Mann sein Nickerchen machte. Lärmvermeidung war ihr dabei kein großes Anliegen.
    »Miss Soper und ich werden bei Mr. Culpepper übernachten«, eröffnete ihr Pascoe. »Es wäre mir allerdings recht, wenn Miss Soper noch so lang wie möglich schlafen könnte. Geht das?«
    »Wir hätten Sie schon unterbringen können«, erwiderte die Frau. »Unser Junge hätte auf der Campingliege schlafen können.«
    »Vielen Dank. Aber ich wollte Ihnen keine Umstände machen. Und Mr. Culpepper war sehr hartnäckig.«
    Crowther öffnete die Augen und sah Pascoe direkt an.
    »Culpepper«, sagte er. Es klang wie eine Anklage. Dann schlief er wieder ein.
    Für Crowther ist Culpepper wahrscheinlich einer dieser Dorfjunker von eigenen Gnaden, dachte Pascoe, als er vor dem Revier im strahlenden Sonnenschein stand und sich orientierte. Er war sich nicht sicher, ob ihm so ganz gefiel, was er da sah. In nicht allzu ferner Vergangenheit musste Thornton Lacey ein kleines Straßendorf mit zwei, drei Dutzend Häusern plus Kirche, Dorfladen und Pub gewesen sein, die den zahlreichen Bauerngehöften in der üppigen ländlichen Umgebung zur Versorgung dienten. Aber die Dinge hatten sich geändert. Eines Tages, vor vielleicht nicht mehr als fünfzehn, zwanzig Jahren, kam von jenseits des Berges der erste – der erste …? Er dachte daran, wie Colin es in seinem Brief ausgedrückt hatte:
bleichgesichtige Städter
. Der erste bleichgesichtige Städter. Bald darauf mussten sie scharenweise eingefallen sein. Und sie kamen immer noch. Ihm fiel wieder das Schild am Ortsrand ein, das sie bei ihrer Ankunft am Morgen gesehen hatten:
Wir bauen für Sie – Spitzenobjekte für Spitzenmanager
. Sich Colin und Rose in solcher Gesellschaft vorzustellen, hatte ihn und Ellie sehr amüsiert. Sie hatten sich überhaupt bestens amüsiert auf dieser Fahrt.
    Er zwang sich, seine Aufmerksamkeit wieder dem Dorf zuzuwenden. Bleichgesichtige Städter mussten versorgt werden. Es gab einen Damenfriseur, der äußerst geschmackvoll unter ein Obergeschoss mit windschiefem Fachwerk eingefügt worden war. Mindestens zwei Schilder warben mit gotischen Lettern für Antiquitätenläden. Vorbeiflanierende bleichgesichtige Städter mussten dazu verführt werden, stehen zu bleiben und in die Vergangenheit zu investieren. Aber etwas Dauerhaftes sollte daraus nicht werden, vermutete Pascoe. Niemand kämpft so entschlossen um die Erhaltung ländlicher Gebiete und ihrer Traditionen wie derjenige, der soeben eine Baugenehmigung für seine eigenen zweitausend Quadratmeter bekommen hat. Der Bau- und Umweltausschuss des Dorfes hatte vermutlich wenig mit einer Gewerkschaft der Landarbeiter gemein.
    Schon wieder dieses grässliche Weib, dachte Pascoe düster. Wieso war die mir gleich so unsympathisch? Und jetzt übernachte ich auch noch bei ihr.
    Aber verdammt noch mal, warum sollte ich? Ich wollte doch gar nicht.
    Die Wut, die den ganzen Morgen vor sich hin geköchelt hatte, kam wieder hoch. Er war ungefähr eine Viertelmeile auf der sich endlos dahinschlängelnden Dorfstraße entlanggelaufen, als er plötzlich das Queen Anne auf der anderen Straßenseite sah. Ohne nachzudenken, überquerte er die Straße und ging hinein.
    Es war kurz vor der nachmittäglichen Sperrstunde, und die Bar war leer.
    »Ein Helles, bitte«, sagte er zu der

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