Der Lüge schöner Schein
antwortete Marianne Culpepper.
»Der, wenn auch nicht frei von Tadel, denselben nicht als Einziger verdient«, sagte ihr Mann in neutralem Ton. »Außerdem waren da auch noch andere Sachen, was, Pelman?«
Es klingelte.
»Hartley, könntest du diesmal bitte gehen?«, sagte Marianne, um die Kontrahenten zu trennen. Sie bemühte sich, die erzwungene Waffenruhe zu konsolidieren, indem sie das Thema wechselte, und Pelman ließ sich das von ihr anscheinend eher gefallen.
»Wenn das Wetter anhält, wird das morgen ein schöner Tag zum Reiten. Gehst du raus, John?«
»Schön wär’s. Leider habe ich Hartleys Führungsebene noch nicht erreicht und muss mir noch immer Arbeit mit nach Hause nehmen. Außerdem sagt Sandra, dass man vom Reiten einen breiten Hintern bekommt.«
»John!«, protestierte seine Frau. Doch sie gab Mariannes fragenden Blick mit dem gelassenen Lächeln einer Frau zurück, die ein Hinterteil so stramm wie ein Knabenpo ihr Eigen nennt.
»Was machen Sie beruflich, Mr. Bell?«, fragte Pascoe und versuchte, nicht wie ein Polizist zu klingen. Zur Zeit wusste er nie, ob es ihm gelang oder nicht.
»Ich bin Verkaufsleiter bei Nuplax, dem Küchengerätehersteller. In Banbury.«
»Das klingt auch nicht unbedingt nach Aushilfsjob.«
»Na ja, es geht. Aber nichts im Vergleich mit Hartley. Der ist einer der Finanzchefs der Nordrill-Gruppe.«
Pascoe gab sich beeindruckt, um seine Unwissenheit zu verbergen. Von Nordrill hatte er schon gehört. Ein aufstrebendes Öl- und Bergbaukonsortium, das oft in den Nachrichten war. Aber was so eine Position im Hinblick auf Verantwortung und Einkommen bedeutete, davon hatte er nicht die leiseste Ahnung.
»Da verdient man sicher nicht schlecht«, tat er fachkundig.
»Macht das Leben recht angenehm, was, Marianne?«
Bells Geste umfasste sowohl die Frau als auch die dezent luxuriöse Ausstattung des Zimmers. Marianne lächelte, aber eher freudlos.
»Ich wusste gar nicht, dass Nordrill in den Midlands sitzt«, sagte Ellie.
»Tun sie auch nicht, aber London ist ja gleich ums Eck mit einem anständigen Wagen und einer Zweitwohnung, wenn man doch lieber in der Stadt bleibt.«
Hartley-im-Glück, dachte Pascoe.
Hartley-im-Glück kam zurück und brachte Dr. Hardisty mit, der, nach der Dauer ihres Zwiegesprächs zu urteilen, nicht nur Informationen empfangen, sondern seinerseits auch weitergegeben hatte. Er war in Begleitung seiner Frau, die entweder jünger war oder sich besser gehalten hatte als er, mit jenem energischen Auftreten und Vertrauen erweckenden Lächeln, die Pascoe mit dem Pflegeberuf assoziierte. Seine Vermutung schien nicht unwahrscheinlich.
Kaum hatten sie ihre Besorgnis über Ellies Befinden und ihr Bedauern über Roses Tod zum Ausdruck gebracht und dabei tunlichst jede Anspielung auf Colin vermieden, als es wieder klingelte. Diesmal ging Marianne an die Tür und kam, nach der üblichen Verzögerung, alleine zurück.
»Hartley«, sagte sie leise, »kannst du einen Augenblick herkommen?«
Culpepper ging aus dem Zimmer. Pascoe schlenderte zur Anrichte und schenkte sich großzügig nach. Er glaubte fest an die soziale Maxime
jeder nach seinem Vermögen
, und es war offensichtlich, dass es hier nicht an Vermögen mangelte.
Bell gesellte sich zu ihm.
»Ist Palfrey die Hauptanlaufstelle für Spirituosen in der Gegend?«, fragte Pascoe, die Scotch-Flasche zum Gesprächsthema befördernd.
»Um Himmels willen!«, sagte Bell mit seinem sympathischen Grinsen. »Vielleicht hin und wieder mal eine Flasche, wenn sich’s gerade nicht vermeiden lässt. Aber wer bezahlt schon seine Preise, wenn er dasselbe in der Stadt viel billiger bekommt? Lassen Sie sich von unserem äußerlichen Wohlstand nicht hinters Licht führen, Mr. Pascoe. Kann ja sein, dass Hartley sich in London einen Weinhändler V. S.O. P. hält, aber wir anderen schieben noch immer unseren Einkaufswagen durch den Supermarkt.«
»Wirklich anständig von Ihnen, aus Ihrem Reichtum kein Kapital schlagen zu wollen«, sagte Pascoe, wobei er die Bemerkung mit seinem ebenso sympathischen Lächeln abschwächte. Er hatte nicht vor, sich mit Bell anzulegen. Und er wollte unbedingt über Palfrey sprechen. Warum, wusste er nicht genau. Persönliche Abneigung? Nun ja, in diesem Fall war er nicht in offizieller Mission hier, also mussten persönliche Vorurteile zur Abwechslung einmal nicht unterdrückt werden.
»Wie passt Palfrey in das Gemeinschaftsgefüge hier?«, fuhr er fort. Doch der Polizist in ihm hatte
Weitere Kostenlose Bücher