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Der Lüge schöner Schein

Der Lüge schöner Schein

Titel: Der Lüge schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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den Lautsprechern dröhnte, war auch nicht gerade das Richtige für eine Trauergemeinde. Dennoch war sie nicht laut genug, um zu verhindern, dass Pascoe das Ende der Unterhaltung zwischen Culpepper und seiner Mutter hörte.
    »Nein, es kann nur Miss Soper gewesen sein«, sagte Hartley.
    »Du musst es ja wissen, Klugscheißer«, gab die Alte zurück und zuckte dabei mit den immer noch breiten Schultern. »Ich geh ins Bett. Und hoffe nur, dass mich keiner darin ermordet.«
    Die Bemerkung traf Pascoe wie ein elektrischer Schlag. Er drückte Culpepper sein Glas in die Hand, zwängte sich ohne Entschuldigung zwischen Mutter und Sohn durch und rannte leichtfüßig die Treppe hoch.
    Es war absurd. Wahrscheinlich hatte die alte Frau wirklich nur einen kurzen Blick auf Ellie erhascht. Sie machte allerdings nicht den Eindruck, als wäre sie geistig nicht mehr auf der Höhe. Vielleicht eine Last für Culpepper und seine Frau, aber das ging ihn nichts an. Einen ermittelnden Beamten geht
alles
was an. Also sprach Dalziel.
    Vorsichtig drückte er Ellies Tür auf. Sie saß auf dem Bett, das Licht war an, und sie rauchte.
    »Hallo«, sagte sie, keineswegs überrascht.
    »Hallo«, sagte auch er, »bin gleich wieder da.«
    Seine eigene Tür war einen Spaltbreit geöffnet. Im Zimmer war es dunkel. Die Tür gab nach, als er sie berührte. Er schlüpfte hinein und versuchte sich in Erinnerung zu rufen, wo der Lichtschalter war.
    Seine tastende Hand fand ihn nicht, aber er wusste auch so, dass außer ihm noch jemand im Zimmer war. Vor seinem geistigen Auge sah er plötzlich eine Schrotflinte, und er gab die Suche nach dem Schalter auf. Geräuschlos entfernte er sich aus dem Lichtkegel, der vom Treppenabsatz hereinfiel. Als er sich neben dem Kleiderschrank auf ein Knie stützte, hörte er ein Geräusch. Die Vorhänge bewegten sich, und vom klaren Herbsthimmel drang der zarteste Schimmer an Licht durch das Fenster, bis eine Gestalt es verdunkelte. Dann war wieder alles ruhig.
    Pascoe sagte mit unsicherer Stimme: »Colin?«
    Er stand auf.
    »Colin? Ich bin’s, Peter. Peter Pascoe. Bist du das, Colin?«
    Jetzt hatte er den kleinen Nachttisch erreicht. Er ließ seine Hände auf die Lampe herabsausen, die dort stand. Ein Daumenballen traf den Schalter und sanftes Licht erglomm im Zimmer.
    Nun sprach die Gestalt am Fenster. »Ich bedaure sehr, Mr. Pascoe«, sagte sie mitfühlend, »ich bin nicht Colin.«
    »Das sehe ich«, erwiderte Pascoe und sah den Mann vor ihm unverwandt an. »Was machen Sie in meinem Zimmer, Mr. Davenant?«

Acht
    A ch, hier sind Sie, Anton«, sagte Marianne Culpepper vom Eingang her. »Was in aller Welt machen Sie hier drinnen?«
    »Bitte um Verzeihung, meine Herzblätter«, antwortete Davenant und entfernte sich vom Fenster. »Ich habe mich ganz und gar verlaufen. Dieses kleine Zimmer, das Sie mir unten gegeben haben, ist wirklich toll, Marianne, aber wie’s aussieht, gibt es da kein Klo. Ich bin zwar überzeugt, dass ein solch vornehmes Haus über Klos an allen Ecken und Enden verfügt, aber unten habe ich nicht ein einziges gefunden, obwohl ich durch ein Gitter einen Raum voll von Gegenständen erspäht habe, die wie Nachttöpfe aussahen.«
    »Sie haben mein Zimmer für eine Toilette gehalten?«, fragte Pascoe im Tone sorgfältig dosierter Ungläubigkeit.
    »Keineswegs. Aber aufgemacht habe ich die Tür auf meiner Suche schon, auch hineingeguckt und natürlich gemerkt, dass ich mich vertan habe, und dann habe ich alles um mich vergessen, weil ich draußen vor dem Fenster am Abendhimmel die Umrisse von
Asio otus
im Sturzflug erblickte.«
    »Von was?«, fragte Marianne.
    »Der Waldohreule, meine Liebe. Ich kann mich natürlich getäuscht haben, aber ich glaube nicht. Diese Ohren! Ich habe alles andere vergessen. Ein natürlicher Drang wich einem anderen, größeren, und ich bin ans Fenster gestürzt, um ihren Flug zu beobachten. Herrlich! Dann kam jemand. Ich bin zu einer Salzsäule erstarrt, doch weh mir! Mein Fehltritt ward entdeckt. Erbarmt euch eines armen Sünders!«
    Er lächelte Pascoe hinreißend an, der seine »Damit-ist-ja-alles-geklärt«-Miene zur Schau trug, derer er sich oft bediente, wenn ihm jemand unverfroren ins Gesicht log.
    »Habt ihr ihn also erwischt«, triumphierte Mrs. Culpepper senior. Neugierig blickte sie über die Schulter ihrer Schwiegertochter. »Der schaut aber komisch aus.«
    »Pst!«, sagte Marianne. »Das ist Mr. Davenant, Mutter, ein alter Freund von mir.«
    Langsam wird die Sache

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