Der Lüge schöner Schein
man jedes Stück für sich betrachten konnte. Die einzigen frei stehenden Objekte waren zwei Deckelvasen, die auf Sockeln mitten im Raum standen. Sie waren in chinesischem Stil verziert, doch Culpepper versicherte Pascoe, dass es sich um englische Kopien aus dem späten 18. Jahrhundert handelte.
»Gehören eigentlich gar nicht hierher«, erklärte er, »aber es waren die ersten Stücke, die ich gekauft habe, als mir klar wurde, dass ich mir so etwas leisten konnte.«
»Wie viel ist das alles wert?« Zu mehr konnte Pascoe sich nicht aufschwingen.
»Ach, ein paar Tausender«, antwortete Culpepper unbestimmt. »Vieles ist in den Augen eines Fachmanns nicht unbedingt erste Qualität. Aber für mich ist es unersetzlich und damit unbezahlbar.«
Er führte Pascoe hinaus und ließ das Gitter krachend hinter sich zufallen.
»Wertvoll oder nicht, ich wünschte, es gäbe mehr Leute, die auf ihr Eigentum so gut aufpassen wie Sie«, bemerkte Pascoe, der gerade daran dachte, wie einfach sein aktueller Einbrecher an ein kleines Vermögen gekommen war. Gestern um diese Zeit hatte er noch an diesem Fall gearbeitet. Es schien unfassbar.
Das Abendessen verlief recht angenehm. Ellie und Marianne hatten sich anscheinend angefreundet, obwohl Pascoe sich bei keiner der beiden vorstellen konnte, dass sie die andere als eine »Frau nach ihrem Herzen« bezeichnet hätte. Die Gäste, John und Sandra Bell, waren ein nettes Paar Mitte dreißig, er extrovertiert, geradeheraus, beinahe herzlich; sie hübsch, viel ruhiger, aber alles andere als unterkühlt. Der Name kam Pascoe bekannt vor, doch erst als das Gespräch, dessen Inhalt um Ellies und seinetwillen einer peinlichen Zensur unterzogen wurde, auf die Wasserverschmutzung im Ort kam, fiel ihm ein, dass er Bells Namen im Protokoll des Umweltausschusses gelesen hatte. Er war ein eingefleischter Unterbächler und beklagte bitterlich die Verschmutzung des Dorfbachs durch die gedankenlose Abwasserbeseitigung, die am Oberlauf von vielen noch betrieben wurde. Culpepper, der gerade russische Eier mit Salat aß, schob angewidert seinen Teller von sich.
»John, bitte«, sagte Mrs. Bell. »Du verdirbst Hartley den Appetit und langweilst seine Gäste bestimmt zu Tode.«
»Tut mir leid«, sagte Bell und grinste Ellie an. »Bitte um Vergebung. Die reichen Müßiggänger auf dieser Seite des Dorfes haben gut reden. Die können sachlich bleiben. Aber mein Garten grenzt an den Bach, und ich habe einen kleinen Jungen. Der fängt sich schon so genug ein, da können wir auf Typhus gut verzichten. Aber keine Sorge. Ich habe einen Plan. Bei der nächsten Ausschuss-Sitzung könnte so mancher sein blaues Wunder erleben.«
Er zwinkerte mit Verschwörermiene, als Marianne abzuräumen begann.
Der Erste der Gäste, die noch auf ein Glas eingeladen waren, traf ein, während sie Kaffee tranken. Marianne ließ ihn herein. Es dauerte auffallend lange, bis sie mit Angus Pelman zurückkam. Pascoe vermutete, dass die Zeit dazu genutzt wurde, Pelman vor den Fremden im Hause zu warnen.
Pelman versuchte erst gar nicht, das Thema Mord zu vermeiden.
»Was Neues von Hopkins?«, fragte er unvermittelt, nachdem Hartley ihn vorgestellt hatte.
»Ich glaube nicht«, schaltete sich Culpepper diplomatisch ein. »Miss Soper, hätten Sie vielleicht Lust, sich meine Porzellansammlung anzusehen?«
»Ach, zum Teufel mit deinem Porzellan, Hartley. Miss Soper ist doch kein kleines Kind, das sich mit einer Tüte Bonbons ablenken lässt.«
Culpepper wandte sich ab und beschäftigte sich angelegentlich damit, die Verschlussfolie von einer neuen Flasche Scotch abzumachen. Eine, die noch zu zwei Dritteln gefüllt war, stand unübersehbar auf der Anrichte. Marianne sah mit sorgenvoll gerunzelten Brauen zu ihm hinüber.
»Was passiert ist, hat uns allen einen Schock versetzt«, fuhr Pelman fort. »Sie waren nette Leute, unsere Nachbarn, Mitglieder unserer Gemeinde.«
»In der sie nicht jedermann unbedingt mit offenen Armen aufgenommen hat«, sagte Culpepper leise. »Nehmen Sie noch einen, Mr. Pascoe?«
»Womit was gemeint ist?«, wollte Pelman wissen.
»Die Geschichte im Eagle, zum Beispiel«, antwortete Culpepper.
»Das war eine Sache zwischen JP und den Hopkins«, warf Bell ein. »Davon war sonst niemand betroffen. Und ein Schaden war’s auch nicht. Das Bier im Anne ist viel besser, und billiger.«
Er lächelte breit, ganz der Wogenglätter.
»Wer ist JP ?«, fragte Ellie.
»Palfrey, der Besitzer vom Eagle and Child«,
Weitere Kostenlose Bücher