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Der Lüge schöner Schein

Der Lüge schöner Schein

Titel: Der Lüge schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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auspackte, und als er kurz darauf sein Zimmer verließ, um Ellie zu holen, fand er sie am Treppenabsatz, wo sie ungeniert das Gespräch im unteren Stock belauschte.
    Culpeppers neutrale Stimme war nur als undeutliches Gemurmel zu hören, aber die Stimme seiner Frau mit ihrer wohlmodulierten Aussprache übertrug sich klar und deutlich. Das erinnerte Pascoe an die Zeit, da er als Teenager das (mittlerweile zur Bingohalle verkommene) Repertoiretheater seiner Heimatstadt frequentiert hatte, wo hoffnungsfrohe Elevinnen ihre Stimmen zum »Olymp« erhoben.
    Selbst das halbe Gespräch hatte gereicht zu vermitteln, dass Marianne Culpepper nicht die geringste Ahnung von der Einladung ihres Gatten an Pascoe und Ellie hatte. Die beiden Lauscher auf dem Treppenabsatz sahen sich schuldbewusst an. Pascoe schlich zur nächstbesten Tür, öffnete sie und schlug sie zu. Wahrscheinlich wäre es nicht unklug gewesen, sich eine Weile zurückzuziehen, doch Pascoe merkte, wie es ihn gelüstete, die gute Kinderstube derer da unten auf die Probe zu stellen.
    »Komm, gehen wir runter«, sagte er übertrieben laut.
    Während der allgemeinen Vorstellung präsentierten sich die Culpeppers recht geeint.
    »Waren Sie heute Morgen nicht im Bürgersaal?«, fragte Marianne Pascoe. »Da wusste ich noch nicht, wer Sie sind. Ich dachte, Sie wären einer von den Polizisten.«
    Das bin ich auch, meine Liebe, dachte Pascoe.
    »Also«, fuhr die Frau fort, »das mit Ihren Freunden tut mir schrecklich leid. Ich habe sie ja kaum gekannt, die Hopkins, meine ich, aber sie schienen sehr nett zu sein.«
    Alle reden, als hätten wir beide verloren, dachte Pascoe. Vielleicht stimmt’s ja auch.
    »Sie haben sicher schon genug von den Beileidsbekundungen. Man wird ihrer schnell überdrüssig.« Sie hielt inne, als spräche sie nur mit sich selbst, dann fuhr sie fort: »Was mich an den heutigen Abend erinnert. Sie sind natürlich herzlich willkommen, aber Hartley und ich sind uns mit unseren Plänen ein wenig ins Gehege geraten. Ich habe ein paar Freunde zum Abendessen eingeladen, und später kommen vielleicht noch ein paar Leute auf ein Glas vorbei. Es liegt ganz bei Ihnen, ob Sie lieber auf Tauchstation gehen, früher essen und sich von dem allgemeinen Gewühl fern halten wollen, dann sagen Sie es bitte. Tun Sie sich keinen Zwang an.«
    Merkwürdig, dachte Pascoe. Hartley wusste über die Abendeinladungen seiner Frau Gemahlin anscheinend ebenso wenig Bescheid wie sie über die seinen. Oder etwa doch?
    »Ich glaube, wir würden gern dabei sein«, sagte Ellie. Pascoe war überrascht, aber im Grunde hatte sie ausgesprochen, was er gedacht hatte. Ihre Motive unterschieden sich allerdings vermutlich stark voneinander. »Natürlich nur, wenn wir nicht wie die Lemuren da herumhocken.«
    »Nicht die Spur. Gut, dann ist das geklärt. Samstags gibt’s zwar nur kaltes Buffet, aber trotzdem sollte ich jetzt erst mal alles vorbereiten, bevor ich mich umziehe.«
    Sie trug Hosen und einen dicken Pulli und sah ein bisschen zerzaust aus, so als hätte sie sich gerade in der freien Natur betätigt.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte Ellie.
    »Warum nicht?«, antwortete Marianne lächelnd. »Wie sieht’s bei Ihnen mit Tranchieren aus? Hartley ist Fast-Vegetarier und kann sich nicht recht dafür erwärmen, Brocken toten Getiers zu zersäbeln.«
    »Interessieren Sie sich für Porzellan?«, fragte Culpepper, als die beiden Männer allein waren.
    »Ich verstehe kaum was davon«, erwiderte Pascoe ausweichend. Fortsetzung der Therapie?, fragte er sich. Von Dalziels Einbrechern bis hin zu Culpepperscher Kultur bin ich anscheinend für alles gut.
    »Meine eigenen Kenntnisse sind auch nicht überragend«, sagte Culpepper bescheiden. »Kommen Sie, sehen Sie sich die paar Stücke an, die ich habe.«
    Er stand auf, führte Pascoe durch die Diele und schloss eine massiv wirkende Eichentür auf. Als er sie öffnete, erblickte Pascoe zu seiner Überraschung ein Scherengitter, in der Art, wie sie für Türen in altmodischen Aufzügen verwendet wurden. Culpepper steckte einen anderen Schlüssel ins Schloss, und das Gitter glitt von selbst zur Seite.
    Ob der Wert der Sammlung diese aufwendigen Vorkehrungen rechtfertigte, vermochte Pascoe nicht zu sagen. Die Exponate waren eindrucksvoll präsentiert. Der Raum war fensterlos, und in den Wänden befanden sich zahlreiche, verschieden große Nischen, in denen das Porzellan stand. Jede Nische hatte eine eigene Lampe, die einzeln zu bedienen war, so dass

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