Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Lüge schöner Schein

Der Lüge schöner Schein

Titel: Der Lüge schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
Pascoe sah sich außerstande, das objektiv zu beurteilen.
    »Ich bin Polizist, Mrs. Bell.«
    »Oh.« Die Frau verstummte verwirrt.
    »Kriminalpolizei, nicht wahr?«, sagte Pelman. »Was ist denn Ihre professionelle Prognose in diesem Fall?«
    »Angus!«, rügte Marianne.
    »Er muss ja nicht antworten, wenn er nicht will«, rechtfertigte sich Pelman und sah Pascoe scharf an.
    »Will noch jemand was trinken?«, fragte Hartley Culpepper.
    »Die Vorgehensweise der Polizei in solchen Dingen ist sehr einfach«, sagte Pascoe. »Und besteht im Wesentlichen aus drei Komponenten: der Suche nach der Waffe, der Suche nach Leuten, die behilflich sein können, und der Befragung einer Vielzahl von Personen, von denen Aussagen aufgenommen werden und deren Informationen zusammengetragen werden. Damit hat sich’s. Nichts Aufregendes. Bei den meisten Mordfällen weiß die Polizei innerhalb vierundzwanzig Stunden, wer es war. Oft noch früher.«
    Mit unbeweglichem Gesicht schaute er in die Runde.
    »Und bei diesem Fall?«, fragte Pelman leise.
    »Wer weiß? Ich gehöre nicht zu den ermittelnden Beamten«, antwortete Pascoe. »Ich bin nur ein Zeuge. Wie alle anderen hier vielleicht.«
    »Wie wichtig ist es, die Waffe zu finden«, fragte Mrs. Hardisty, um das Schweigen zu brechen, das Pascoes Ausführungen gefolgt war.
    »Das Wichtige ist, herauszufinden, wem die Waffe gehört.«
    Pelman brach in freudloses Gelächter aus.
    »Das ist kein Problem. Sie gehört mir.«
    Diesmal beeilte sich niemand, das eingetretene Schweigen zu brechen. Doch Pascoe hegte keine Zweifel über die Gedanken, die goldfischgleich hinter den überraschten Augen schwammen. Ein schlechter Scherz? Eine Art Geständnis? Nur ein Missverständnis?
    »Hat Backhouse es Ihnen nicht gesagt?«, wollte Pelman wissen.
    »Ich hab doch gesagt, dass ich nicht zu den Ermittlern gehöre«, gab Pascoe zurück.
    »Dann hat er natürlich nicht. Aber es ist doch bestimmt kein Geheimnis. Als der Superintendent nämlich mit mir redete, erkundigte er sich unter anderem nach meinen Waffen. Muss er ja auch. Ich hatte es ganz vergessen, bis ich nachschaute.«
    »Na, was denn?«, bohrte Marianne ungeduldig. »Mein Gott, Angus, die Sache ist ernst. Mach keine Golf-Club-Anekdote draus.«
    Pelman nahm die Schelte ergeben hin.
    »Eine von meinen Flinten fehlte. Ich hatte sie Colin vor ungefähr einer Woche geliehen und noch nicht zurückbekommen. Es hatte ja keine Eile. Ich hatte nichts Besonderes vor, und außerdem habe ich ja noch genug andere.«
    »Zweifellos«, bemerkte Culpepper.
    »Sie glauben also, es war Ihr Gewehr, das benutzt wurde …?« Mrs. Hardisty musste den Satz nicht zu Ende sprechen.
    »Sieht so aus.«
    »Wofür brauchte Colin die Flinte?«, fragte Pascoe und achtete dabei auf seine Stimme. Sie klang natürlich und fest. Er hielt sich bemerkenswert gut. Hatte sich unter Kontrolle. Dalziel wäre stolz auf ihn.
    Die Salontür flog auf, Pascoe wirbelte herum wie eine aufgescheuchte Katze und verschüttete seinen Whisky.
    In der Tür stand eine hoch gewachsene und hoch betagte, knochige Frau. Ihre Haut war braun und faltig wie ein Schildkrötenhals, aber ihre Augen waren klar und wach. Der Arbeitskittel aus Nylon, den sie anhatte, war leuchtend orange wie die Jacke eines Straßenarbeiters und passte überhaupt nicht zu ihren violetten Hosen und flauschigen roten Hausschuhen. Das musste die Gärtnerin sein.
    »Da oben ist ein Mann«, sagte sie im Singsang der Menschen aus Süd-Lancashire.
    »Das ist schon in Ordnung, Mutter«, sagte Culpepper beruhigend. »Wir haben Gäste.«
    »Ich bin ja nicht blind«, versetzte die alte Frau verächtlich.
    »Über Nacht, meine ich. Mr. Pascoe. Pascoe, darf ich Ihnen meine Mutter vorstellen, die uns die Ehre erweist, bei uns zu wohnen.«
    »So kann man’s auch sagen«, meinte die Frau und fixierte Pascoe. Ihr Blick drückte ihre mangelnde Begeisterung aus. »Der war’s nicht.«
    »Nicht …?«
    »Oben.«
    »Dann war es wahrscheinlich Miss Soper, unser zweiter Gast«, sagte Culpepper triumphierend.
    »Es war ein Mann«, beharrte sie.
    Marianne schob die Tür eines eleganten Walnussschranks zur Seite, der eine teuer aussehende Stereoanlage beherbergte.
    »Heute Morgen ist das neue Drew-Spade-Album gekommen«, sagte sie fröhlich. »Wollen wir uns das nicht anhören? Ich hab’s selbst noch nicht gehört, weiß also nicht, wie es ist.«
    Noch ein Ablenkungsmanöver. Was für ein verklemmter Haufen das hier war! Und die Musik, die jetzt aus

Weitere Kostenlose Bücher