Der Lüge schöner Schein
Zehn nach fünf. Er musste fast zehn Minuten lang weggetreten gewesen sein.
»Was war los«, fragte Palfrey mit seinem abgehackten Militärakzent.
»Weiß der Himmel! Ich war gerade ins Haus gekommen, als das Telefon läutete. Ich habe mich gebückt, um abzuheben, und peng! ist alles auf mich draufgekracht.«
»Sie haben eins über den Schädel gekriegt«, sagte Dixon mit dem Sachverstand dessen, der schon mal im wilden Teil von Liverpool ein Pub geführt hat. »Wahrscheinlich haben wir den verscheucht, der da am Werk war, sonst hätten Sie vielleicht noch ein paar zur Sicherheit draufgekriegt.«
»Danke«, sagte Pascoe und zuckte zusammen, als Dixon fortfuhr, die Kopfverletzungen auszuwaschen. »Wie kommen Sie hierher?«
»Ich bin vorbeigefahren«, sagte Palfrey. »Haustür war offen. Kam mir komisch vor, wo doch … na, Sie wissen schon. Also habe ich angehalten und bin reingegangen, um nachzusehen.«
»Und ich hab ein paar Minuten später das Gleiche gemacht, als ich das Auto vom Major gesehen hab«, ergänzte Dixon. »Jetzt sollten Sie sich lieber von Dr. Hardisty anschauen lassen. Die Haut ist geplatzt, aber was sonst alles nicht stimmt, kann ich nicht sagen.«
»Nein, mir geht’s gut«, sagte Pascoe, stand auf und taumelte gegen Palfrey. Der Kerl hatte vielleicht keinen Brandy bei sich, aber aus seinem Atem zu schließen, hatte er jede Menge in sich.
»Kommen Sie«, sagte Palfrey, und es klang beinahe liebenswürdig. »Jetzt lassen Sie sich am besten zusammenflicken.«
»Okay«, stimmte Pascoe einsichtig zu. »Aber wir sollten Crowther Bescheid geben.«
»Ich rufe ihn an, und Sie setzen sich schon mal ins Auto«, sagte Dixon.
Mit Hilfe des Majors ging Pascoe, nun schon festeren Schrittes, zum Wagen. Es tat gut, nach der warmen, abgestandenen Luft in dem verrammelten Cottage wieder an die frische Luft zu kommen.
Im Auto erlitt er, vielleicht wegen des Geschaukels, einen kleinen Schwächeanfall. Er konnte sich nicht auf das konzentrieren, was soeben geschehen war, sondern wanderte in Gedanken die ganze vergangene Woche zurück. Sturgeon tauchte auf. Er hatte ihn am Wochenende noch einmal besucht und Mavis Sturgeon mitgebracht, die sich so weit erholt hatte, dass sie reisefähig war. Es war ihm äußerst unangenehm gewesen, das Wiedersehen der Eheleute mit seiner Gegenwart zu stören, doch in Anbetracht des noch immer kritischen Zustands von Sturgeon hatte der Arzt nur eine begrenzte Besuchszeit gestattet. Und sie benötigten alles, was Sturgeon ihnen nur erzählen konnte. Atkinson hatte sich als unauffindbar erwiesen, ebenso wie der unter dem Namen Archie Selkirk bekannte Mann. Es gab keine Verbindung zu Cowley und keine Spur von den vierzigtausend Pfund.
»Ich konnte dich nicht in Armut sehen, mein Schatz«, erklärte Sturgeon. »Weißt du noch, die erste Zeit? Wo wir von harten Brotrinden und einer Kartoffel gelebt haben? Das war schlimm. Das konnte ich dir nicht noch mal antun.«
»Das hat sich doch alles geändert«, protestierte seine Frau. »Heute würde das doch nicht passieren. Außerdem haben wir uns durchgebissen. Solang ich dich habe, Edgar, könnte ich mich immer durchbeißen.«
»Aye, aye. Aber mir schien’s am besten so. Ich war ein Idiot, Mavis. Das ganze Geld, alles, was wir hatten, futsch. Und der Bungalow. Schien am besten so …«
Seine Stimme wurde schwächer, und er und seine Frau hatten sich gegenseitig Trost zugeweint.
Das Bild wurde unscharf und durch Gedanken an Ellie verdrängt. Irgendwie wurde sie bedroht, aber er wusste nicht, von wem. Außer eventuell Anton Davenant, aber warum sollte der …
Wieder fiel das Bild in sich zusammen, und als es sich neu geformt hatte, zeigte es Dr. Hardisty mit Backhouse im Hintergrund.
»Das sollte reichen«, verkündete der Arzt. »Sie haben vielleicht eine leichte Gehirnerschütterung, aber nirgendwo ein Loch. Diese Dinger hier sollten die Kopfschmerzen in Schach halten.«
Er überreichte ihm ein Fläschchen mit Tabletten. Aus seinem Verhalten schloss Pascoe, dass er während der Untersuchung wahrscheinlich den Anschein von Vernunft hatte wahren können. Er fand die Vorstellung wenig beruhigend, dass der Körper sehr wohl einer geraden Linie folgen konnte, während der Geist in gänzlich anderen Zeit- und Raumsphären seine Kreise zog.
»Thornton Lacey hat Ihnen kein Glück gebracht, Sergeant«, stellte Backhouse fest.
»Nein, Sir.«
»Wir bringen Sie jetzt wieder zu den Crowthers. Sie brauchen Ruhe.«
»Was ist mit dem
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