Der Lüge schöner Schein
haben wir auch. Noch einen Schluck, oder hält Ihr Kopf das noch nicht aus?«
»Einen schaffe ich noch, glaube ich.«
»Bitte schön«, sagte Culpepper und überreichte ihm ein gutgefülltes Whiskyglas. »Nettes Häuschen, das unser Freund Pelman da hat, nicht? Er ist natürlich kein Sammler. Dazu ist er viel zu beschäftigt mit Pflanzen und Pflügen und Züchten und Töten. Aber wenn eine Familie lange genug an einem Ort lebt, sammelt sich unweigerlich das eine oder andere schöne Stück an.«
»Wahrscheinlich. Haben Sie in letzter Zeit Ihre Sammlung erweitert?«
»Nicht richtig, nein. Letzten Mittwoch war ich bei Sotheby’s wegen des Verkaufs der Cantley-Sammlung. Ein, zwei sehr schöne Stücke, aber leider jenseits meiner finanziellen Möglichkeiten. War aber trotzdem ein Genuss, sie sich anzusehen. Man kann nicht alles haben.«
»Ich dachte, es sei das Credo jedes Sammlers, dass man alles haben kann. Zumindest glauben das die Sammler, mit denen ich es zu tun habe!«
»Vielleicht sollte ich es denen nachmachen«, sagte Culpepper.
Auf einmal fiel Pascoe auf, dass Culpepper, wenn ihm trotz seiner Sammelwut auch nichts ferner liegen mochte, als einen Diebstahl dafür zu begehen, gerade zugegeben hatte, während Rose Hopkins’ Beerdigung bei Sotheby’s herumgeschlendert zu sein, um seiner Leidenschaft zu frönen.
Vielleicht ein Stündchen, das er einem Tag harter Arbeit abgezwackt hatte, dachte Pascoe in einer Anwandlung von Nachsicht.
Die Tür des Besprechungszimmers öffnete sich, und die Ausschussmitglieder kamen einer nach dem anderen heraus. Jetzt klingen sie ja alle recht gut gelaunt, stellte Pascoe fest. Sam Dixon nickte ihm fröhlich zu.
»Tut mir leid, dass Sie so lange warten mussten«, sagte Pelman. »Aber die Pflicht geht vor. Alan, ich glaube, Sie kennen Sergeant Pascoe noch nicht. Alan Matthias, unser Herr Pfarrer.«
»Freut mich, Sie kennen zu lernen, Mr. Pascoe. Ich war zutiefst betroffen über den Mord an Ihren Freunden.«
Na, direkt ist er ja, dachte Pascoe. Marianne Culpepper gesellte sich zu ihnen. Überrascht sah sie ihren Gatten an.
»Hartley, ich wusste gar nicht, dass du heute Abend zurückkommst.«
»Ich habe doch gesagt, dass ich zur Untersuchung morgen da sein will.«
»Tatsächlich? Kann mich gar nicht erinnern.«
»Das soll aber deine Pläne, sofern du welche hast, nicht durcheinanderbringen, meine Liebe«, sagte Culpepper. »Mutter wird sich schon um mich kümmern.«
»Ganz bestimmt. Sie kümmert sich ja auch vorbildlich um mich, wenn du nicht da bist.«
»Wie gefällt es Ihnen hier?«, fragte Pascoe Matthias, um das Schweigen zu überbrücken, das nach dieser kaum verhüllten Stichelei eingetreten war. »Schon ein bisschen anders als in den grünen Tälern von Wales.«
»Ich weiß nicht«, antwortete der Pfarrer. »Dunkle Stollen gibt es unter jeder Oberfläche.«
»Alan ist ein allegorischer Moralist«, erklärte Pelman. »Das ist die walisische Krankheit. Hartley, du bist natürlich herzlich willkommen, aber gibt es irgendwas Besonderes?«
»Nichts Wichtiges. Mir war nur nach Spazierengehen, damit ich den Londoner Staub aus der Lunge kriege.«
»Man hat’s schon schwer ganz oben«, bemerkte John Bell. »Ich muss gehen, Angus. Danke für den Drink. Sie schauen sich doch diesen Bericht an, den ich erstellt habe?«
»Ich werde ihn mit ins Bett nehmen«, versprach Pelman. »Könnte sein, dass er schafft, was Hardistys Pillen nicht können. Mich einschläfern.«
Eine gute Gegend für Schlaflose, dachte Pascoe. Er selbst hatte das Gefühl, dass er später keine Einschlafschwierigkeiten haben würde. Ein Wölkchen, nicht größer als ein Daumennagel, zog durch seinen Kopf. Noch ein Whisky, und große Kumuluswolken würden alles zudecken. Und wenn er zu lange hier herumlungerte, konnte es sein, dass Blitze sie mit ihren Zacken zerreißen und Donnergrollen sie Furcht erregend machen würden.
»Würden Sie mich auch entschuldigen?«, sagte er zu Pelman.
»Aber die Nacht ist noch jung. Sie sind doch gerade erst gekommen.«
»Pst, Angus«, tadelte Marianne. »Mr. Pascoe hat heute einen ziemlich üblen Schlag auf den Kopf bekommen. Das muss ein ganz schöner Schock für Sie gewesen sein. Ich hoffe, sie erwischen den, der das getan hat.«
»Ich auch«, erwiderte Pascoe. »Ja, ich glaube, ich habe meine Selbstheilungskräfte überschätzt. Ich bitte um Vergebung. Gute Nacht. Gute Nacht.«
Er fühlte sich sehr schwach und ging schnell hinaus. Die Schwäche verging in
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