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Der Lüge schöner Schein

Der Lüge schöner Schein

Titel: Der Lüge schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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gehabt.
    Er setzte sich eine Zeit lang hin und widmete sich dem Problem. Schließlich gestand er sich ein, dass es eigentlich überhaupt kein Problem gab. Die Tatsachen, so wie er sie sah, legten eine Theorie nahe. Es war eine Theorie, aber eine, die sich leicht überprüfen ließ. Es wäre auch leicht, ans Telefon zu gehen und Backhouse anzurufen, aber das kam nicht in Frage, zumindest nicht dieses Mal.
    Seufzend stand er auf und ging hinaus in den Garten. Einen Augenblick blieb er neben der Sonnenuhr stehen und sah zu Boden. Auf dem Teppich im Esszimmer waren immer noch die dunklen, entstellenden Flecken zu sehen, aber hier draußen hatten Regen, Tau, Sonnenlicht und der Wachstumszyklus alle Spuren auf den emporschießenden grünen Trieben verwischt.
    Sein Schatten lag auf der Sonnenuhr, und er trat beiseite, um zu sehen, wo die Spitze des Gnomons hinzeigte, doch eine dünne weiße Wolke legte sich kurz über die Sonne, und er wartete nicht, bis sie sich verzogen hatte. Stattdessen ging er hinunter zum Bach und sprang mühelos darüber hinweg in Pelmans Wald. Das Wasser floss langsam dahin und war nicht sehr tief, aber trotzdem wunderbar klar. Lange Schilfhalme wogten darin, flussabwärts weisend, und Pascoe folgte der Anweisung. Zwanzig, dreißig Meter ging er den Wasserlauf entlang, doch dann rückten die Bäume zu beiden Seiten näher heran, und das Gestrüpp von Heckenrosen und Stechginster zwang ihn, entweder tiefer in den Wald hinein auszuweichen oder die Böschung hinunterzuklettern. Ohne zu zögern entschied er sich für Letzteres.
    Anfangs versuchte er noch, trockenen Fußes weiterzukommen, indem er vorsichtig einen schmalen Saum entlangging, doch dieser verschwand bald, und nachdem seine Füße das erste Mal nass geworden waren, scherte er sich nicht mehr darum und schritt entschlossen voran.
    Bald war das Ende seiner Wanderung abzusehen, die Bodenerhebung, auf welcher der Pfad zu Pelmans Haus verlief. Das Kanalrohr, durch das der Bach unter dem Pfad durchgeführt wurde, war als dunkler Halbkreis über der Wasseroberfläche sichtbar, die selbst unter den wenigen das Baumgewölbe durchdringenden Sonnenstrahlen glitzerte.
    Etwa dreißig Meter davon entfernt blieb Pascoe stehen. Eine überwältigende Lethargie schien seine Beinmuskulatur ergriffen zu haben, so als habe der Bach seine Füße mit einem langsam wirkenden Gift benetzt. Der Wald war voller Geräusche, die jetzt, da sein lautstarkes Platschen durch das Wasser ausblieb, ihre Vorherrschaft wieder behaupteten. Vögel zwitscherten laut, melodiös, warnend, verträumt; Blätter säuselten in der sanften Brise, noch immer ein voller Klang, obwohl die Pergamentnote des Herbstes sich schon bemerkbar machte; eine Biene brummte vorbei; und irgendwo vor ihm hörte er, oder bildete es sich wenigstens ein, das Summen vieler Fliegen.
    Dann gab es ein Geräusch, das er sich nicht eingebildet hatte. Etwas bewegte sich zwischen den Bäumen zu seiner Linken. Er kauerte sich zu Boden und dachte daran, wie er auf dem Weg zum Haus der Culpeppers seinen Verfolger durch die Nacht hatte schleichen hören.
    Vorsichtig hob er den Kopf über die Böschung. Da erblickte er eine Gestalt, die langsam auf den Bach zukam. Zu flüchtig war der Blick, als dass er sie hätte identifizieren können, und doch ausreichend, um den Gegenstand zu erkennen, den der Mann vor sich hertrug, behutsam wie bei einer Feiertagsprozession.
    Eine Schrotflinte.
    Pascoe setzte sich in Bewegung. Das war unklug. Er würde unweigerlich Lärm machen. Aber er hielt es nicht aus, still an der Böschung zu verharren, während der Flintenträger näher kam. Nach ein paar Schritten erkannte er, dass selbst die wenige Mühe, die er sich gab, nur Zeitverschwendung war. Der Lärm, den er verursachte, war gigantisch, wie von einer Kuhherde, die durch eine Furt patscht. Jetzt begann er, richtig zu rennen.
    »Wer ist da?«, rief eine Stimme.
    Er musste raus aus dem Bach. Auf der Seite, von der der Ruf gekommen war, standen die Bäume weniger dicht, aber die Aussicht, dort hochzuklettern, hatte nichts Verlockendes. Stattdessen zog er sich an den Salweiden hoch, die wie ein Zaun auf der anderen Seite wuchsen.
    »Stehen bleiben!«, befahl die Stimme.
    Wenn ich nur ein paar Bäume zwischen mich und ihn bringen kann, dachte Pascoe, wenn ich ihn nur in Richtung Straße dirigieren, wenn ich nur zum Dorf zurückkann, dann lasse ich’s bleiben; keine Fahndungsaktionen im Alleingang mehr, ich schwöre es, lieber Gott, hab

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