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Der Lüge schöner Schein

Der Lüge schöner Schein

Titel: Der Lüge schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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seitlich auf den Schädel krachen. Benommen leistete der keinen Widerstand, als er zur Seite gerollt wurde, doch Ethererges erster Tritt hatte eine belebende Wirkung, und als er sich zu einem zweiten Fußtritt in die Rippen anschickte, packte der Dicke ihn am Knöchel und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Etherege stürzte durch die geöffnete Tür rückwärts in den Laden.
    Beide erhoben sich gleichzeitig, und als sie einander ansahen, erkannten sie, dass sie die Rollen getauscht hatten. Dalziels ganzes Wesen wurde von einer Welle schrecklicher Wut erfasst, die sich schnell und ungehindert ausbreitete und alle Schmerzen vertrieb. Lässig entfernte er die Reste der Spritze und ließ sie zu Boden fallen.
    »Na denn, Mr. Scheiß-John Etherege«, sagte er und machte einen Schritt vorwärts.
    Etherege wandte sich um und rannte los, doch sein vollgestopfter Laden machte ein rasches Vorankommen unmöglich. Die Vitrine mit dem Porzellan fiel krachend um, als er dagegen rumpelte. Eine Barraclough-Standuhr legte sich quer, als Dalziel ihm nachsetzte, und tat ihren letzten Schlag, als der Dicke unbedacht auf ihre hervorgequollenen Eingeweide trat.
    Etherege, der erkannte, dass er es nicht bis zur Tür schaffen würde, flüchtete sich in luftige Höhen und sprang panisch auf Stühle, Tische, Schränke und Sekretäre. Die Spätviktorianer trugen es mit Fassung, ihre Vorfahren jedoch schweren Schaden davon, insbesondere, als Dalziel folgte.
    Sein schlichtes, klar definiertes Ziel war es nun, Etherege Schmerz zuzufügen. Er konnte sich nicht erklären, woher dieser unglaubliche Drang zur Gewalt kam, und es war ihm auch vollkommen gleichgültig. Es war, als hätte die unterdrückte Gewalttätigkeit aus drei Jahrzehnten bei der Polizei sich endlich ihr Existenzrecht erfochten.
    Etherege wusste das, und dieses Wissen machte ihn unglaublich behende. Während Dalziel schwerfällig eine Mahagonianrichte überwand, hüpfte der Händler leichtfüßig über eine Gruppe von echten Pseudo-Chippendale-Esszimmerstühlen hinweg und stürzte zur Tür, die sich in dem Augenblick öffnete, als er sie erreichte. Ein Mann und eine Frau standen da, verstellten den Ausgang und blickten verwundert auf die Szene, die sich ihnen darbot. Notgedrungen bremste Etherege, und schon hatte Dalziel sich auf ihn gestürzt.
    Er stieß ihn auf einen Tisch und begann, auf seinen Körper und sein Gesicht einzudreschen. Sein Widersacher wehrte sich nicht, schien kaum mehr bei Bewusstsein.
    »Also, hören Sie«, hub der Neuankömmling an und trat vor, noch schneller jedoch zurück, als er Dalziels Gesichtsausdrucks gewahr wurde.
    Irgendetwas tief in ihm drin sagte Dalziel allerdings, er müsse aufhören. Er begehe einen Fehler. Er hatte noch nie in seinem Leben derart die Beherrschung verloren.
    Unruhe entstand hinter ihm, und jemand packte ihn an der Schulter.
    »Rufen Sie die Polizei!«, sagte eine Männerstimme, und er fühlte, wie ihn jemand von Etherege wegzog.
    Die Wut kehrte zurück. Er wandte sich um und erblickte einen empört aussehenden Mann Ende dreißig. Dalziel mochte weder seinen Blick noch seine Berührung. Er ballte die Faust und knallte sie dem Fremden mit voller Wucht ins Gesicht.

Fünf
    A ls Pascoe im Brookside Cottage ankam, durchsuchte er zuallererst das Haus. Wohnzimmer, Esszimmer und die Küche voller Brandspuren; dann oben die Schlafzimmer, das Bad und den Abstellraum. Als er sich vergewissert hatte, dass er allein war, kehrte er ins Wohnzimmer zurück und ließ seinen Blick über die Bücherregale schweifen. Das, wonach er suchte, war nicht da. Enttäuscht wandte er sich ab und sah sich aufmerksam um.
    »Der Sekretär!«, sagte er laut. Es war ein schönes Möbelstück, und er hatte Gewissensbisse, es aufzubrechen, als er feststellte, dass es verschlossen war. Aber wenn er etwas von Dalziel gelernt hatte, dann, dass man eine Vorgehensweise, für die man sich einmal entschieden hatte, auch bis zum noch so bitteren Ende beibehielt, energisch und entschlossen.
    Das Schloss ließ sich mit dem aus der Küche entliehenen Messer problemlos öffnen. Er nickte befriedigt, als er das Buch in die Hand nahm und die Schreibplatte wieder zurückklappte. Er blätterte es rasch durch und nickte wieder. Es war immer schön, recht zu behalten. Auch das hatte er von Dalziel gelernt. Oder vielleicht hatte der Dicke auch gesagt, dass es schön war, immer recht zu behalten. Er war zwar ein egoistischer Saukerl, aber Pascoe hätte ihn jetzt gerne an seiner Seite

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