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Der Lüge schöner Schein

Der Lüge schöner Schein

Titel: Der Lüge schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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viel«, sagte Dalziel, »aber wenn mir was gefällt, das versteh ich.«
    »Tatsächlich?«, bemerkte Jonathan Etherege und ein Lächeln breitete sich auf seinem runden, sympathischen Gesicht aus. »Ich kann nur hoffen, dass Sie einen sehr kostspieligen Mangel an Geschmack haben. Möchten Sie sich umsehen?«
    »Aye«, sagte Dalziel, der sich in der Rolle des feisten Banausen gefiel. Rolle?, dachte er. Ich
bin
ein feister Banause!
    Aber dieser Gedanke steigerte sein Vergnügen nur.
    »Sind Sie schon lang im Geschäft, Mr. Etherege?«, fragte er, während er durch die Antiquitätenabteilung des Ladens schlenderte und Objekte, die er vor sich sah, mit einer Liste gestohlener Gegenstände in seinem Kopf verglich.
    »Ziemlich lang«, erwiderte Etherege. »Ich habe als Schrotthändler angefangen und mich hinuntergewirtschaftet.«
    »Sie sind sehr offen«, sagte Dalziel. »Warum sagen sie
hinunter?«
    »Ein Scherz, sozusagen.«
    »Warum
sozusagen?«
    »Na ja, wenn ich Ihnen ein paar Zentner Bleirohre verkaufe, wissen Sie, was die üblicherweise kosten, und entweder Sie nehmen sie oder Sie lassen’s bleiben. Bei diesem Zeug hier denkt jeder an den Wert. Da geht’s nicht darum, was das pro Zentner kostet.«
    »Mir ist trotzdem noch nicht klar, warum Sie
hinunter
sagen«, grunzte Dalziel, während er vergeblich versuchte, die oberste Schublade eines hübschen viktorianischen Schreibtisches aufzuziehen. Etherege beugte sich herüber, zog, und die Schublade ließ sich mühelos öffnen.
    »Der Preis liegt immer über dem Wert, Sir«, antwortete er. »Also kann es nur hinuntergehen.«
    »Das ist mir zu hoch«, bekannte Dalziel. »Trotzdem klingen Sie wie ein redlich unredlicher Mann. Sie mögen Kies, nicht?«
    »Ich bin schon mal ohne dagestanden«, erwiderte Etherege. »Ein zweites Mal würde ich mir das gern ersparen.«
    »Versteht sich. Kommt das alles aus der Gegend hier?«
    Inzwischen waren sie in der Abteilung Kunsthandwerk angekommen.
    »Eine Menge davon. Wie wär’s mit einem Korb für Ihre Frau? Oder einem Pferdegeschirr?«
    »Für meine Frau? Nicht sehr schmeichelhaft«, meinte Dalziel. Er konnte nichts entdecken, was dem Anhänger, den Ellie beschrieben hatte, irgendwie ähnelte. Er kramte in den Ziergegenständen herum, die auf einem großen Holztablett ausgestellt waren.
    »Sehr hübsch«, sagte er. »Aber ich hätte gern etwas für den Hals. Nein, auch kein Halsband. Einen … Dings.«
    »Einen Anhänger?«, sekundierte Etherege. »Wir haben ein paar da. Nichts Besonderes, ziemlich schlicht, wenn es das ist, was Sie suchen.«
    »Nein. Nein«, sagte Dalziel. »Ein bisschen dekorativer als das hier.«
    »Tut mir leid. Wir hatten ein paar recht hübsche mit Steinen aus der Gegend in einer Keramikfassung, aber die sind leider schon alle weg«, erklärte Etherege. »So ein Pech.«
    Er weiß Bescheid, dachte Dalziel mit einem Mal. Der Hund weiß Bescheid. Der weiß, wer ich bin und hinter was ich her bin. Scheiße! Wenn der so clever ist, dann wird’s schwierig, ihm was anzuhängen.
    Er sah auf die Uhr. Vielleicht lohnte es sich, einen Durchsuchungsbefehl zu beantragen und den Laden richtig auf den Kopf zu stellen. Aber er zweifelte daran.
    Auch Etherege sah auf die Uhr.
    »Würden Sie mich einen Augenblick entschuldigen?«, sagte er. »Stöbern Sie rum, so viel Sie mögen.«
    Der hat die Ruhe weg, dachte Dalziel, während er Etherege nachsah, der hinter der Briefmarkenvitrine in einer Art kleinem Büro verschwand. Gönnt sich jetzt wahrscheinlich sein zweites Frühstück, damit ich mich davon überzeugen kann, dass es hier nichts zu finden gibt.
    Bei dem Gedanken an den Kaffee und die zwei Donuts, die er üblicherweise am Vormittag zu sich nahm, begann sein Magen zu knurren. Selbst mit dem Alkohol hatte er sich in den vergangenen Tagen ziemlich zurückgehalten, und er konnte sich nur schwer vorstellen, sich mit der Gesamtwirkung auf Dauer abzufinden.
    Frustriert und angewidert sah er sich in der umgebauten Scheune um. Für seinen eigenen Geschmack in puncto Lebensstil, sofern man das überhaupt Geschmack nennen konnte, traf die Bezeichnung altmodisch wohl am ehesten zu. Aber das kam daher, dass ihn die materiellen und moralischen Ideale einer Arbeiterfamilie geformt hatten. Diese gezielte Jagd nach Antiquitäten war für ihn unverständlich. Er mochte den alten Eichentisch, an dem er sein einsames Frühstück (und sonst so gut wie nichts, seit seine Frau ihn verlassen hatte) zu sich nahm, weil es sein eigener war und

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