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Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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deine Ladung hab ich vernommen.«
    Das T-Shirt starrte immer noch auf das Glas. »
Non si pasce di cibo mortale, Chi si pasce di cibo celeste
«, flüsterte es. »Wohl des irdischen Mahles entbehret, Wer von himmlischer Speise sich nähret.«
    »Ich glaube, Sie haben etwas für mich«, sagte der Tweed.
    »Goldener Hirsch, unter dem Namen Emburey. Kleines Päckchen.«
    »Emburey? Middlesex und England? Ich wußte gar nicht, daß Sie sich für Kricket interessieren.«
    »Ich habe ihn aus der Zeitung. Sah nach einem sehr englischen Namen aus.«
    »Das ist er auch. Auf Wiedersehen.«
    Der Tweed ging weiter und gesellte sich zum blauen Hemd, welches eine Unterhaltung mit einer Französin begonnen hatte.
    »Ich erzählte dieser Dame gerade«, sagte das Hemd, »daß ich glaube, die Ausstattung für
Die Zauberflöte
da drüben ist von David Hockney.«
    »Ganz sicher«, sagte der Tweed. »Hockney hat für mich zwei Stile. Wild und natürlich oder kalt und klinisch. Ich erinnere mich, einmal bemerkt zu haben, es gebe zwei Arten Hockney. Feldhockney und Eishockney.«
    »Wie bitte?«
    »Das ist ein Witz«, erklärte das blaue Hemd.
    »Ach so.«
    Der Tweed untersuchte ein Ausstellungsstück.
    »Diese Figur hier müßte eigentlich die Königin der Nacht sein.«
    »Sie ist ein Charakter gänzlich von höchst Außergewöhnlichem, glaube ich«, sagte die Französin. »Ihre Musik – mein Gott, wie einfach göttlich sie ist. Ich bin selbst Sängerin, und die Königin zu spielen ist der Lieblingstraum meines Herzens.«
    »Es ist auf jeden Fall eine höllisch schwere Rolle«, sagte die Oxforder Baumwolle. »Verflixt schwierig, finde ich. Was ist das für eine unglaublich hohe Note, die sie erreichen muß? Ein hohes C, nicht wahr?«
    Die Antwort der Französin überraschte nicht nur das blaue Knöpfkragenhemd und seine Begleiter, sondern den ganzen Raum. Denn sie starrte das blaue Hemd an, die Augen aufgerissen vor Angst, öffnete weit ihren Mund und stieß eine schrille Soprannote von solcher Reinheit und Leidenschaft aus, wie sie sie in ihrer gesamten nachfolgenden – und bemerkenswerten – Opernkarriere niemals wiederholen sollte.
    »Großer Gott«, sagte der Tweed, »ist es wirklich so hoch? Soweit ich mich erinnern kann …«
    »Donald!« sagte das Knöpfkragenhemd. »Schauen Sie!«
    Die Tweedjacke drehte sich um und sah die Ursache des Schreis und die Ursache weiterer, technisch weniger ausgereifter Schreie, die überall zu erschallen begannen.
    Mitten im Zimmer stand ein Mann in einem
Fame
- T-Shirt
, der wie eine Marionette zuckte und sprang.
    Nicht das Unschickliche eines solches Tanzes an einem solchen Ort bestürzte alle, es waren Anblick und Ton des Blutes, das aus seiner Kehle quoll und schäumte. Während er herumhüpfte und stampfte, schien der Mann zu versuchen, den Fluß aufzuhalten, indem er sich mit beiden Händen den Hals zudrückte, aber die Vehemenz, mit der das Blut herauspumpte, vereitelte dies.
    In Augenblicken wie diesem steht die Zeit still.
    Alle, die später Freunden, Psychiatern, Priestern oder der Presse die Szene erzählten, sie alle erwähnten das Geräusch. Einigen erschien es als rasselndes Gurgeln, anderen als blubberndes Krächzen: Der alte Mann in der Tweedjacke
und sein junger Begleiter waren sich darin einig, daß sie nie wieder eine Espressomaschine hören könnten, ohne erneut an jenes grauenvolle Todeskeuchen denken zu müssen.
    Alle erinnerten sich an die erschreckende Menge Blut, die Kraft, mit der es dem Mann durch die Finger schoß. Alle erinnerten sich an den Chor der Baßstimmen, die sich in Panik erhoben, als hilfsbereite Hände der roten Fontäne trotzten und vorsprangen, um es der zuckenden Figur auf dem Boden bequem zu machen. Alle entsannen sich, wie nichts die wilde Flut der Fontäne zu stillen vermochte, die aus dem Hals des Mannes drang und die Worte ›I’m Going to Live For Ever‹ auf seinem T-Shirt mit einem dunklen Fleck auslöschte. Alle erwähnten sie, wie lange es zu dauern schien, bis er starb.
    Aber nur einer von ihnen erinnerte sich, einen unglaublich fetten Mann mit kleinem Kopf und glattem Haar aus dem Raum schlüpfen zu sehen, wobei er ein Messer aus seiner Hand springen ließ wie einen lebenden Fisch.
    Nur ein Mann sah das, und er behielt es für sich. Er griff nach der Hand seines Begleiters und führte ihn aus dem Zimmer.
    »Kommen Sie, Adrian. Ich glaube, wir sollten uns von dannen machen.«

EINS
     
     

I
     
    Adrian prüfte die Orchidee in seinem

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