Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Lustmolch

Der Lustmolch

Titel: Der Lustmolch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
Vom Netzwerk:
nach abgestandenem Bier und Zigaretten, während Gabe blinzelnd den Boden in Augenschein nahm, in der Hoffnung, dort Anzeichen interessanter Lebensformen zu erblicken. Der Morgen war der finsterste Teil des Tages im Head of the Slug Saloon. Es war so dunkel, daß das schmuddlige Interieur der Bar das Licht, das jedesmal von der Straße hereindrang, wenn jemand die Tür öffnete, förmlich einzusaugen schien, woraufhin die Stammgäste der Tagschicht zusammenzuckten und Zischlaute von sich gaben, als ob sie auf ihren Barhockern verdampfen würden, sobald ein Sonnenstrahl sie auch nur streifte. Mit grimmiger Miene und leicht wackligen Schrittes bewegte sich Mavis hinter der Bar auf und ab, trank Kaffee aus einer giftgrünen Henkeltasse, während eine Tarryton Extra Long zwischen ihren Lippen baumelte, von der gelegentlich lange Aschewürste auf ihren Pullover herunterfielen, die aussahen wie die rauchende Kacke winzig kleiner Geisterpudel. Sie war damit beschäftigt, an der noch unbesetzten Rundung der Bar Schnapsgläser mit billigem Bourbon zu füllen, die sie aufbaute wie Soldaten eines Erschießungskommandos. Im Abstand von zwei oder drei Minuten betraten diverse ältere Männer die Bar - samt und sonders in zerbeulten Hosen und gebeugten Ganges, manche gestützt auf einen Gehstock, andere auf die letzte Hoffnung, einen schmerzlosen Tod zu erleiden - und erklommen einen der leeren Hocker, um ihre arthritischen Klauen um eines der Gläser zu winden und es an die Lippen zu hieven. Die Schnäpse wurden nicht einfach heruntergekippt, sondern gehegt und gepflegt, und als Mavis ihre erste Tasse Kaffee ausgetrunken hatte, sah die Rundung der Bar aus wie die Warteschlange am Eingang der Hölle: gebeugte, keuchende alte Säcke, aufgereiht wie Hühner auf der Stange.
    Dürfen wir Ihnen in der Wartezeit ein paar Erfrischungen servieren? Der Sensenmann wird sich gleich um Sie kümmern.
    Gelegentlich kam es vor, daß eines der Schnapsgläser unberührt und der dazugehörige Hocker leer blieb, und dann ließ Mavis für gewöhnlich eine Stunde verstreichen, bevor sie den Schnaps zum nächsten Stammgast weiterschob und Theo anrief, damit er den Vermißten aufspürte. Meist rollte der Krankenwagen dann so leise durch die Stadt wie ein Geier im Aufwind, und Mavis wußte, was los war, wenn Theo kurz die Tür öffnete, den Kopf schüttelte und sich wieder davonmachte.
    »Hey, Schluß mit dem Trübsal«, sagte Mavis dann gewöhnlich. »Immerhin ist für euch ein Freidrink rausgesprungen. Der Hocker da bleibt jedenfalls nicht lange leer.«
    Es hatte immer eine Stammbesetzung gegeben, die ihre Tagschicht hier abriß, und es würde immer eine geben. Der Nachwuchs kam ab neun Uhr morgens hereingeschneit - jüngere Männer, die sich nur jeden dritten Tag rasierten und badeten und den Großteil ihrer Tage am Pooltisch verbrachten, billiges
    Bier vom Faß tranken und den grünen Filz mit Argusaugen im Blick behielten, um bloß nicht mit ihrem eigenen Leben konfrontiert zu werden. Mochte es früher einmal Frauen und Jobs gegeben haben, so träumten sie nun von brillanten Stößen und ausgefuchsten Strategien. Wenn ihre Träume verblaßten und die Sehkraft nachließ, landeten sie auf den Hockern am Ende der Bar bei der Tagschicht.
    Ironischerweise war es die Aura der Verzweiflung, die über der Tagschicht schwebte, die Mavis beinahe einen ähnlichen Nervenkitzel verschaffte wie damals, als sie einem Polizisten mit ihrem Louisville Slugger eins übergebraten hatte. Wenn sie die Flasche Old Tennis Shoes aus dem Kühlfach zog und am Ende der Bar die Gläser der Stammbesetzung auffüllte, dann schoß ihr eine geradezu elektrische Ladung von Abscheu das Rückgrat hinauf, so daß sie zum anderen Ende der Bar trippelte und dort atemlos stehenblieb, bis ihr Herzschrittmacherdoppel ihren Puls wieder aus dem roten Bereich manövriert hatte. Es war, als würde man dem Tod in die Nase kneifen oder einer Kobra ein »Verpaß mir 'n Tritt«-Schildchen an den Kopf kleben und damit durchkommen.
    Gabe und Val beobachteten das Ritual, ohne sich von ihrem Platz neben dem Flipper wegzubewegen. Val war neugierig und wartete nur auf den richtigen Augenblick, um zur Bar zu gehen und zu fragen, ob Theo angerufen hatte, und Gabe war, wie üblich, verlegen in Gegenwart anderer Menschen.
    Mavis zog sich zu ihrem Platz neben der Kaffeekanne zurück, wo sie sich außer Reichweite der Klauen des Todes fühlte, und rief dem Pärchen zu: »Wollt ihr beide was zu trinken, oder

Weitere Kostenlose Bücher