Der Lustmolch
glotzt ihr nur das Schaufenster an?«
Gabe ging voran zur Bar. »Zwei Kaffee, bitte.« Er warf einen kurzen Blick hinüber zu Val, um sich ihrer Zustimmung zu vergewissern, doch sie stierte auf Catfish, der Mavis gegenüber am Ende der Bar saß. Genau hinter ihm saß ein anderer Mann, ein unglaublich hagerer Herr, dessen Haut so weiß war, daß sie durch den Nebel von Mavis' Zigarettenqualm nahezu durchsichtig wirkte.
»Hallo, ähm, Mr. Fish«, sagte Val.
Catfish, der auf den Boden seines Schnapsglases starrte, hob den Blick und quälte sich ein Lächeln ab, was aber bei den tiefen, katzenjammrigen Sorgenfalten in seinem Gesicht nicht viel nützte. »Jefferson«, sagte er. »Catfish ist mein Vorname.«
»Entschuldigung«, sagte Val.
Mavis notierte sich im Geiste das neue Pärchen. Gabe hatte sie wiedererkannt. Er war schon ein paar Mal mit Theophilus Crowe hier gewesen, doch die Frau war ein neues Gesicht. Sie stellte zwei Kaffee vor Gabe und Val hin. »Mavis Sand«, sagte Mavis, doch sie streckte ihnen nicht die Hand entgegen. Jahrelang hatte sie jegliches Händeschütteln vermieden, weil ihre Arthritis sie danach geschmerzt hatte, und nun, mit ihren neuen Gelenken und Hebeln aus Titan, mußte sie zu sehr aufpassen, damit sie nicht die zarten Fingerglieder ihrer Gäste zerquetschte.
»Entschuldigung«, sagte Gabe. »Mavis, das ist Dr. Valerie Riordan. Sie hat eine psychiatrische Praxis hier in der Stadt.«
Mavis trat zurück, und Val konnte sehen, wie sich der Apparat im Auge der Frau scharfstellte - wenn das Licht vom Snooker-Tisch im richtigen Winkel einfiel, dann schien es, als würde das Auge rot schimmern.
»Erfreut«, sagte Mavis. »Kennen Sie Howard Phillips?« Mavis nickte zu dem hageren Mann am Ende der Bar.
»H. P.«, fügte Gabe hinzu und nickte ebenfalls zu Howard hinüber. »Vom Cafe.«
Howard Phillips mochte vierzig sein oder sechzig oder siebzig, oder es konnte ebensogut sein, daß er jung gestorben war, denn ungefähr so lebhaft wirkte sein Gesicht. Er trug einen schwarzen Anzug aus dem neunzehnten Jahrhundert, und er hielt ein Glas Guinness Stout zärtlich umklammert, obwohl er nicht so aussah, als ob er sich in den letzten Monaten irgendwelche Kalorien zugeführt hatte.
Val sagte: »Wir kommen gerade aus Ihrem Restaurant. Wirklich nett da.«
Ohne eine Miene zu verziehen sagte Howard: »Als Psychiater, empfinden Sie es da als störend, daß Jung ein Nazi-Sympathisant war?« Er hatte einen tonlosen britischen Upper- Class-Akzent, und Val hatte beinahe das Gefühl, als wäre sie gerade angespuckt worden.
»Was für ein Sonnenscheinchen, unser Howard«, sagte Mavis. »Sieht aus wie der leibhaftige Tod, oder?«
Howard räusperte sich und sagte: »Die gute Mavis glaubt, sich über den Tod lustig machen zu können, da der Großteil ihrer sterblichen Organe durch Apparate ersetzt wurde.«
Mavis beugte sich zu Gabe und Val vor, als ob sie ihnen ein Geheimnis anvertrauen wollte, doch gab sie sich große Mühe, so laut zu flüstern, daß Howard es hören konnte: »Er ist jetzt schon zehn Jahre lang völlig mies gelaunt und außerdem die meiste Zeit besoffen.«
»Ich hatte gehofft, dem Laudanum anheimzufallen - in der
Tradition von Byron und Shelley«, sagte Howard. »Doch die Beschaffung jener Substanz ist, gelinde gesagt, schwierig.«
»Ja, aber der eine Monat, in dem du Wick Medinait auf Eis getrunken hast, war auch kein großer Erfolg. Er ist von seinem Hocker runtergekippt wie 'ne Eins oder hat manchmal vier Stunden lang dagesessen und geschlafen, bis er wieder aufgewacht ist und sein Glas ausgetrunken hat. Obwohl ich sagen muß, Howard, du hast kein einziges Mal gehustet.« Wieder lehnte sich Mavis über die Bar. »Manchmal behauptet er, daß er an Schwindsucht leidet.«
»Ich bin sicher, die gute Frau Doktor ist nicht interessiert an Einzelheiten meines Drogenmißbrauchs, Mavis.«
»Eigentlich«, erklärte Gabe, »sind wir nur hier, weil wir auf einen Anruf von Theo warten.«
»Und ich glaube, daß ich statt Kaffee doch lieber eine Bloody Mary möchte«, sagte Val.
»Ihr könnt reden, soviel wie ihr wollt, aber ich werd kein Monster jagen, also versucht erst gar nicht, mich zu überreden«, erklärte Catfish. »Ich hab den Blues, und ich bin beschäftigt mit Trinken.«
»Sei nicht so 'n Jammerlappen, Catfish«, sagte Mavis, während sie Vals Cocktail mixte. »Monster kannst du in der Pfeife rauchen. Howard und ich haben schon mal eins erledigt, was, Howard?«
»War ein
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