Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Lustmolch

Der Lustmolch

Titel: Der Lustmolch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
Vom Netzwerk:
sehen. Er zog seine Dienstwaffe und arbeitete sich, den Lauf der Pistole nach vorn gerichtet, von Ecke zu Ecke vor, um dann seine Strategie zu wechseln. Wenn er weiter so vorging, war es, als würde er ein großes Warnschild vor sich hertragen. Folglich duckte er sich jedesmal, bevor er um eine Ecke herumlinste, ganz tief hinab, gemäß der Überlegung, daß Burton, wenn er Theo hörte oder ihm auflauerte, vermutlich in Kopfhöhe zielen würde. Das Ausmaß dessen, was Theo in bezug auf Überwachungstechniken und Kampfstrategien alles nicht wußte, schien mit jedem Schritt, den er machte, zu wachsen. Er war halt einfach kein gerissener Hund.
    Er schlitterte einen schmalen Pfad zwischen zwei Felstürmen entlang, die aussahen wie Reißzähne. Als er sich daranmachte, einen Blick um die vor ihm liegende Ecke zu riskieren, rutschte er mit dem Fuß ab und trat einen Haufen Steine los, die den Abhang herunterkrachten wie Glasscherben. Er blieb stehen, hielt den Atem an und lauschte, ob sich irgendwo zwischen den Felsen etwas regte. Es war nichts weiter zu hören als die Brandung in der Ferne und das tiefe Pfeifen des Windes von der Küste. Er wagte einen kurzen Blick um den Felsvorsprung, und bevor er den Kopf zurückziehen konnte, hörte er hinter seinem Ohr das metallische Klicken einer Pistole, deren Hahn gespannt wurde, und es war, als würde ihm jemand Eiszapfen ins Rückenmark treiben.
    MOLLY
    Molly wühlte sich durch die Kleiderhaufen, die die Pilgerschar am Eingang der Höhle zurückgelassen hatte. Ihre Ausbeute bestand bislang aus zweihundertfünfzig Dollar in bar, einem Stapel Kreditkarten in Gold und mehr als einem Dutzend Röhrchen mit Antidepressiva.
    Eine Stimme in ihrem Kopf sagte: »So viele Pillen hast du nicht mehr zu Gesicht bekommen, seit du in der geschlossenen Abteilung warst. Ganz schön dreist, dich durchgeknallt zu nennen.« Der Erzähler war wieder da, und Molly war kein bißchen froh darüber. In den letzten Tagen war ihr Denken von einer geradezu unglaublichen Klarheit gewesen.
    »Sicher, und du bist mir eine echt große Hilfe, was die Selbsteinschätzung meiner geistigen Gesundheit angeht«, sagte sie zu dem Erzähler. »Mir hat's besser gefallen, als ich mit Steve allein war.«
    Keiner von den Pilgern schien zu bemerken, daß Molly mit sich selbst redete. Sie befanden sich alle in einem tranceähnlichen Zustand, waren splitterfasernackt und saßen in einem Halbkreis um Steve herum, der, den Kopf unter seinen Vorderbeinen versteckt, im hinteren, dunklen Teil der Höhle lag und gelegentlich seine Flanken in düsteren Farben schimmern ließ: rostrot, olivgrau und ein Blau, das so dunkel war, daß es eher wirkte, wie der Widerschein eines geschlossenen Augenlids als wie eine wirkliche Farbe.
    »Ach ja, du und Steve«, sagte der Erzähler abfällig. »Die zwei größten Früher-war-ich-mal-wer-Typen aller Zeiten. Er liegt da rum und schmollt, und du plünderst Leute aus, die noch beknackter sind als du. Und dann wirst du sie auch noch an den alten Lustmolch da drüben verfüttern.«
    »Das werd ich nicht.«
    »Sieht so aus, als ob keiner von den Leuten da drüben seit dem Sportunterricht in der High School auch nur einen Sonnenstrahl abbekommen hat. Von Training ganz zu schweigen. Außer der eine Kerl mit den Birkenstocks, und der hat 'ne Hautfarbe wie Ghandi und diesen verhungerten Vegetarierblick, der einen vermuten läßt, daß er einen ganzen Kindergarten abschlachten würde, nur um an eine Riesenknackwurst mit Sauerkraut zu kommen. Findest du das eigentlich gut, wenn du diese Leute strippen und vor dem Großen auf die Knie fallen läßt?«
    »Ich dachte, das würde sie verscheuchen.«
    »Die Echse nutzt dich aus.«
    »Wir kümmern uns umeinander. Und jetzt halt endlich die Klappe. Ich versuche nachzudenken.«
    »Oh, so wie bisher.«
    Molly schüttelte heftig den Kopf in dem verzweifelten Versuch, auf diese Art und Weise den Erzähler los zu werden. Ihr Haar klatschte ihr ins Gesicht und auf die Schultern und stand anschließend in alle Richtungen ab. Der Erzähler war still. Molly zog ein Schminkset aus der Handtasche von einer der Pilgerinnen und betrachtete sich im Spiegel. Sie sah aus wie der helle Wahnsinn in Person. Sie machte sich auf den Kommentar des Erzählers gefaßt, doch es kam nichts.
    Sie versuchte, das warme Gefühl wiederzuerwecken, das ihren Körper durchströmt hatte, seit Steve aufgetaucht war, doch es stellte sich nicht ein. Vielleicht sogen die Pilger ja all seine Energie

Weitere Kostenlose Bücher