Der Lustmolch
hab meinen Hund angebrüllt. Ja, hallo, hier ist Doktor Gabe Fenton von der Forschungsstation in Pine Cove. Kann es sein, daß in meinem Gebiet irgendwelche seismischen Aktivitäten vorliegen?«
»Pine Cove? Können Sie mir Längen- und Breitengrad durchgeben?«
Gabe tat wie gewünscht. »Ich nehme an, daß das Zentrum irgendwo vor der Küste liegt.«
»Nichts. Ein kleineres Beben mit Zentrum in Parkfield gestern um neun Uhr morgens. Stärke Null Komma drei. So schwach, daß man es nicht mal wahrnimmt. Zeigen Ihre Instrumente denn irgendwas an?«
»Ich habe keine seismographischen Instrumente. Deswegen habe ich ja bei Ihnen angerufen. Das hier ist eine biologische Forschungsstation.«
»Entschuldigen Sie, Doktor, das wußte ich nicht. Ich bin neu hier. Haben Sie irgendwas gespürt?«
»Nein. Meine Ratten spielen verrückt.« In dem Augenblick, als er es aussprach, bereute er auch schon, was er gesagt hatte.
»Wie bitte?«
»Schon gut. Ich wollte nur sichergehen. Ich habe hier eine Verhaltensanomalie bei einigen Versuchstieren. Wenn Sie in den nächsten Tagen irgendwas feststellen, könnten Sie mich dann anrufen?« Er gab ihr seine Telefonnummer.
»Sie glauben, daß Ihre Ratten ein Erdbeben voraussagen, Doktor?«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Daß Tiere seismische Aktivitäten vorher spüren, ist ein Ammenmärchen, aber das sollten Sie eigentlich wissen.«
»Das weiß ich auch, aber ich versuche alle Möglichkeiten auszuschließen.«
»Sind Sie schon mal auf die Idee gekommen, daß Ihr Hund den Ratten angst macht?«
»Diesen Faktor werde ich in meine Überlegungen mit einbeziehen«, sagte Gabe. »Danke für Ihre Mühe.« Als er den Hörer auflegte, fühlte er sich wie ein Trottel.
Weder seismische noch meteorologische Besonderheiten. Ein Anruf bei der Highway Patrol ergab, daß es auch keine Chemieunfälle oder Brände gegeben hatte. Er brauchte eine Bestätigung für seine Daten. Vielleicht stimmte ja mit dem Satellitensignal etwas nicht. Die einzige Möglichkeit das herauszufinden, war, daß er sein tragbares Suchgerät nahm und die Ratten draußen im Feld aufspürte. Rasch zog er sich an und machte sich auf den Weg zu seinem Pickup.
»Skinner, hast du Lust auf 'ne Spazierfahrt?«
Skinner wedelte mit dem Schwanz und schoß auf den Pickup zu. Das wurde auch mal Zeit, dachte er. Nix wie weg von der Küste, Futter-Typ. Und zwar schnell.
Auf dem Bildschirm drinnen im Haus sonderten sich zehn der grünen Punkte von den anderen ab und bewegten sich auf die Küste zu.
DAS SEEUNGEHEUER
Das Seeungeheuer kroch auf den Strand. Es brüllte lautstark, als seine Beine mit einem Mal die gesamte Last seines Körpergewichts zu tragen hatten und das zurückfließende Wasser zusätzlich an ihm zerrte. Das Verlangen, seinen Feind zu töten, war mittlerweile in den Hintergrund getreten, und statt dessen verspürte es Hunger infolge der Anstrengung, die es ihm bereitete, aus dem Meer zu kriechen. Ein Organ an der Basis seines Gehirns, das bei sämtlichen anderen Arten zu einem Zeitpunkt verschwunden war, als die einzig lebenden Vorfahren des Menschen als Kletterspitzmäuse über die Bäume huschten, sandte elektrische Wellen aus, um Nahrung anzulocken. Es war eben jenes Organ, das spürte, daß es hier Beutetiere in Hülle und Fülle gab.
Das Seeungeheuer kam zu dem fünfzehn Meter hohen Kliff, das den Strand umsäumte. Abgestützt auf seinen Schwanz richtete es sich auf und zog sich mit den Vorderbeinen nach oben. Es war dreiunddreißig Meter lang, und wenn es seinen dicken Hals ausstreckte, erreichte es eine Höhe von acht Metern. Die Füße an seinen Hinterbeinen waren breit und mit Schwimmhäuten versehen, die Vorderfüße hingegen klauenartig und zusätzlich zu den drei Fingerkrallen mit einem Daumen bewehrt, um Beute festzuhalten und zu töten.
Im trockenen Gras oberhalb des Strands hatte sich die Beute auch schon versammelt und wartete. Waschbären, Eichhörnchen, ein paar Stinktiere, ein Fuchs und zwei Katzen tollten im Gras herum - einige kopulierten, andere waren ganz darin vertieft, Flöhe in ihrem Fell aufzuspüren, während wiederum andere sich einfach auf dem Rücken im Gras wälzten, als wären sie außer sich vor Freude. Das Seeungeheuer ließ einmal kurz seine Zunge hervorschnellen und zog sie in seinen gigantischen Rachen. Nur ein paarmal gab es ein kurzes Krachen und Knirschen, denn den Großteil seiner Beute schluckte das Monster einfach herunter, ohne sich die Mühe zu machen, sie zu
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