Der Lustmolch
weiter. Und diese Jungs konnten Blues spielen, Mannometer. Aber Deaf Cotton - der war so taub wie 'n Stein, was 'ne Ecke schlimmer ist als blind, wenn du Musiker bist. Das lief dann so, daß wir »Crossroads« gespielt haben, und Deaf Cotton hat daneben gesessen und »Walking Man's Blues« gespielt und gejault wie 'n Hund. Und wir haben einfach aufgehört, sind runter zum Laden, haben uns ein Nabs und 'ne Cola gekrallt, und Deaf Cotton hat einfach weitergespielt. Und er war noch am besten dran, weil er konnte ja nicht hören, wie elend schlecht er war. Aber es hatte einfach keiner das Herz, es ihm zu sagen.
Aber egal, ich sag also: »Dir fehlt einfach der Blues. Du wirst nie besser spielen als Deaf Cotton, wenn dich nicht irgendwann das heulende Elend packt.«
Und Smiley sagt: »Du mußt mir helfen.«
Smiley, mußt du wissen, ist mein Freund, und zwar schon ewig. Wir sind Partner. Also sag ich, ich werd dafür sorgen, daß der Blues ihn anspringt, aber er muß versprechen, daß er nicht sauer wird über die Art, wie ich das anstelle. Er sagt »in Ordnung«, und ich sag »in Ordnung«, und ich überleg mir, wie ich's schaffe, daß der Blues ihn in die Krallen kriegt und wir nach Chicago oder Dallas gehen können und Platten machen, damit wir mit Cadillacs durch die Gegend gurken können wie Muddy Waters oder John Lee Hooker und die andern Jungs.
Smiley hatte 'ne Frau, die hieß Ida May. Sie war 'n süßes kleines Ding. Und sie wohnte oben in Clarksville. Er hat immer erzählt, er muß sich keine Sorgen um Ida May machen, wenn er unterwegs ist, weil sie ihn tief und innig liebt und er für sie der einzige ist. Also erzähle ich Smiley eines Tages, daß in Baton Rouge ein Mann eine 1a Gibson-Gitarre für zehn Dollar zu verkaufen hat und ob Smiley sie nicht für mich abholen kann, weil ich schlimmen Dünnschiß habe und mich so nicht in den Zug setzen kann.
Und kaum daß ein halber Tag vergangen ist, seit Smiley abgefahren ist, statte ich der kleinen Ida May einen Besuch ab, mit 'ner Flasche Schnaps und ein paar Blumen unterm Arm. Sie ist ein junges Ding, und Schnaps trinken ist nicht ihr Ding, aber sobald ich ihr erzähle, daß der gute alte Smiley sich von 'nem Zug hat überfahren lassen, kippt sie den Sprit runter wie 'n alter
Hase (wenn sie nicht gerade am Heulen oder Kreischen ist - ich selbst quetsche mir auch 'n paar Tränen raus, weil schließlich war er ja mein Partner und so, Gott sei seiner Seele gnädig). Und bevor man sich's versieht, liege ich auch schon mit Ida May in den Federn und besorg's ihr - seelischer Beistand in schlimmen Zeiten der Trauer und all so 'n Kram.
Und weißt du was? Als Smiley wieder zurück war, verliert er kein Wort darüber, daß ich mit Ida May geschlafen habe. Er sagt, es tut ihm leid, aber er konnte den Kerl mit der Gitarre nicht auftreiben, gibt mir meine zehn Dollar und sagt, er muß zurück nach Hause, weil Ida May so glücklich ist, ihn wiederzusehen, daß sie ihn schon den ganzen Tag verwöhnt. Ich sag, mich hat sie auch verwöhnt, aber er meint nur, das war in Ordnung, weil sie ja so fertig war und ich sein bester Freund bin. Der Kerl war praktisch immun gegen den Blues.
Also hab ich mir von jemand einen Ford Model T gepumpt, bin damit rüber zu Smiley getuckert und hab seinen Hund platt gefahren - der war vor'm Haus angebunden. »Der Hund war eh schon alt«, sagte Smiley. »Den hatte ich schon, seit ich ein kleiner Junge war, und ich wollte für Ida May sowieso 'n kleinen Hund kaufen.«
»Das macht dir gar nix aus?« frage ich ihn.
»Nöö«, sagt er. »Der alte Köter war sowieso reif.«
»Smiley, du bist ein hoffnungsloser Fall. Sieht so aus, als müßt ich mal richtig gründlich nachdenken.«
Also denk ich richtig gründlich nach. Zwei Tage hat's gedauert, bis mir eingefallen ist, wie man's Smiley so heftig einschenken kann, daß er den Blues kriegt. Aber was passiert? Selbst in dem Moment, als er vor den rauchenden Überresten seines
Hauses steht, Ida May im einen und seine Gitarre im anderen Arm, selbst in dem Moment fällt ihm nix Besseres ein, als Gott zu danken, daß sie's geschafft haben, aus dem Haus rauszukommen, ohne selbst zu verbrennen.
Ein Pastor hat mir irgendwann erzählt, es gibt Leute, die mit ihrem Leid wachsen. Er hat gesagt, wenn die Schwarzen was erreichen wollen, müssen sie mit ihrem Leid wachsen wie der alte Hiob in der Bibel. Also denke ich mir, daß Smiley jemand ist, der mit seinem Leid wächst, jemand, der nur um so stärker wird,
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